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Archiv-Artikel

Ärzte kriegen keinen Gebührenstress

Krankenkassen tragen Inkassorisiko für Praxisgebühr. Viele andere Details der Gesundheitsreform noch offen

BERLIN taz ■ Die Ärzte haben gewonnen: Nicht sie, sondern die Krankenkassen müssen das letzte Risiko dafür tragen, dass Patienten keine Praxisgebühr zahlen. Dies ist das Ergebnis nunmehr wochenlanger Verhandlungen – gestern schließlich unter begütigender Vermittlung des Schiedsamts. „Wir sind zufrieden“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Manfred Richter-Reichhelm, im Anschluss zur taz. „Das Verwaltungsverfahren für die Ärzte ist sehr schlank.“

Wenn nun ein Patient in einer Arztpraxis auftaucht und die von 1. Januar 2004 an fälligen 10 Euro Praxisgebühr nicht zahlen kann, bekommt er erst eine Rechnung. Dann wird er einmal angemahnt, und schließlich müssen die Kassen sehen, wie sie an das Geld kommen– der Arzt kann ihnen die Behandlung voll in Rechnung stellen.

Damit wäre zumindest für die Ärzteschaft ein wichtiges Detail der Gesundheitsreform geklärt. Denn je näher der 1. Januar 2004 und damit das In-Kraft-Treten des Gesetzespakets rückt, desto deutlicher werden praktische Probleme. Doch während die Interessengruppen ihre Schäfchen ins Trockene bringen, bleiben für die Patienten entscheidende Fragen offen.

Unklar ist zum Beispiel noch, wie die Befreiungen und Nachlässe bei Zuzahlungen und Praxisgebühren funktionieren. Bislang ist fast die Hälfte aller Patienten von der Zuzahlungspflicht für Medikamente, Hilfsmittel etc. befreit. Sie verdienen entweder zu wenig oder sind chronisch krank – wobei als „Chroniker“ auch gilt, wer irgendwann einmal so eingestuft wurde, selbst wenn sich das Leiden längst erledigt hat.

Ab 2004 soll nun gelten: Alle müssen für Medikamente, Praxisgebühr usw. bis zu 2 Prozent vom Bruttoeinkommen zuzahlen, Chroniker nur 1 Prozent. Doch wer ist Chroniker? Der für die Definition zuständige Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen steht vor einem Dilemma: Entweder er erstellt eine Liste mit Krankheiten, und wer die hat, bekommt den Stempel „Chroniker“. Dann wäre jedoch abzusehen, dass sämtliche Patientengruppen der Republik auf die Liste wollen. Oder der Ausschuss formuliert Kriterien wie Behandlungshäufigkeit und -dauer. Dies könnten jedoch viele Patienten als Aufforderung verstehen, so häufig wie möglich zum Arzt zu gehen.

Eine Lösung des Problems wird es bis zum 1. Januar nicht geben. Für Kranke heißt das: Ruhe bewahren, Klärung abwarten, Quittungen sammeln, Einkommensbeleg beschaffen. Dann bei der Krankenkasse fragen, wie es weitergeht. Die Kassen sind verpflichtet, bei Erreichen der Belastungsgrenze von 1 bzw. 2 Prozent vom Brutto eine Befreiung auszustellen.

Diese Belastungsgrenze wird auch für Gering- und Nichtsverdiener wichtig werden. Wer etwa den Sozialhilferegelsatz von rund 300 Euro bezieht, muss jährlich mit einer Maximalbelastung von 72 Euro (Chroniker: 36 Euro) für Zuzahlungen rechnen. Es wird voraussichtlich keine Möglichkeit geben, die Zahlung abzustottern, sodass manche im Extremfall tatsächlich 72 Euro in einem Monat bar zahlen müssen. „Alles andere wäre zu großer Verwaltungsaufwand“, sagt DAK-Sprecher Rüdiger Scharf. „Hier müsste, wenn, dann das Sozialamt für Ausgleich sorgen.“ Auch die AOK, bei der die meisten Armen versichert sind, sieht bislang keine Regelung vor. Beratungs-Hotlines sind jedoch geplant.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) jedenfalls will ihrer Informationspflicht Genüge tun. Gestern stellte sie eine kleine Broschüre zur Gesundheitsreform vor, die nun in einer Auflage von über 4 Millionen Exemplaren in der Republik verteilt werden soll. (www.die-gesundheitsreform.de. Umsonst anrufen, Mo. bis Do.: Tel. (08 00) 1 51 51 59 ULRIKE WINKELMANN