Die trostlose Welt der Täter

Gute Absichten, differenziert: „Dunkles Brot und tote Blumen“ von Henning Mankell in Stuttgart uraufgeführt

Antworten will Felix, Erklärungen, warum sein Bruder von rechten Skins nachts im Park erschlagen wurde. Deshalb ist er aus Mosambik nach Deutschland gekommen, wo Stefano gelebt hat. Aber gar keine Antworten bekommt er von Rainer, dem 18-jährigen Täter, der im Knast sitzt, weder „Scheiß Anworten“ noch andere.

Einfache Antworten will Henning Mankell mit dem Theaterstück „Dunkles Brot und tote Blumen“ nicht liefern. Der schwedische Bestseller-Autor hat den authentischen Fall eines in Dessau von Rechtsradikalen ermordeten Mosambikaners zum Anlass genommen, sich in fiktiver Form mit den Gründen für Fremdenhass und rechte Gewalt auseinander zu setzen. Dass die sinnlose, grausame Tat in Dessau „eine europäische Geschichte“ ist, will er aufzeigen. Deshalb hat der Erfinder des Kommissars Wallander und Autor zahlreicher Afrika-Bücher diesen Stückauftrag des kleinen Stuttgarter Theaters Tri-bühne für ihr Festival „Stuttgarter Europa Theater Treffen“ angenommen. Das gesellschaftspolitische Thema und die gute Absicht ließen befürchten, dass dabei schwarzweiß zeichnendes Betroffenheitstheater für politisch korrekte Gutmenschen herauskommen würde. Aber Henning Mankell hat wohltuend differenziert. In Rückblenden, die die trostlose Welt der beiden Täter Rainer und Lucas beschreiben, und in dem Aufeinandertreffen von Felix und Hanna, der Freundin von Rainer, rollt Mankell das Geschehen auf. Und als versierter Krimiautor tut er das mit einer Portion Suspense und in Form eines solide gebauten Wellmade Play.

Die Regisseurin Edith Koerber, Intendantin der Tri-bühne, beginnt mit einem Vorspiel, in dem die sechs Akteure sowie ein Musiker trommeln. Die Schläge der Trommeln werden wie ein Symbol für das lebensbejahende Afrika, von dem Mankell auch erzählen will, die Inszenierung begleiten. Ebenso wie mit der in einer Art Traumsequenz beschriebenen Begegnung der beiden Brüder gelingt Koerber damit ein Bild leiser Poesie. Glaubwürdigkeit gewinnt die Inszenierung insbesondere auch durch die Besetzung der Rollen der afrikanischen Brüder mit Schauspielern aus Mosambik. Jorge Vaz als Felix und Adelino Branquinho (Stefano) gehören dem Teatro Avenida in Maputo an, eine Bühne, die Mankell seit Jahren unterstützt und die als Koproduzent der Stuttgarter Inszenierung fungiert. Beide Gastakteure ziehen mit ihrem intensiven Spiel ins Geschehen hinein. Dass Vaz und Branquinho Portugiesisch sprechen, hat man geschickt gelöst, indem zwei deutsche Schauspieler zeitversetzt, aber nahtlos in die Szenen integriert die Übersetzung nachliefern.

Eher problematisch gestaltet sich dagegen die Darstellung des Mörders Rainer und seiner Freundin Hanna. Zwar beschreibt Mankell recht treffend, wie Perspektivlosigkeit, ein desolates soziales Umfeld und Minderwertigkeitsgefühle in Verbindung mit Alkoholkonsum und nazistischem Gedankengut jenes unheilvolle, explosive Gebräu aus Gewaltbereitschaft, Wut und Hass erzeugen, das in eine solch sinnlose Gewalttat münden kann. Die Art und Weise, wie die Darsteller Julia Bardosch und Martin Rother dies in Form eines verbalen Sperrfeuers präsentieren, behauptet Intensität jedoch eher, als sie plausibel zu vermitteln. So kann die Regisseurin die etwas plakative Figurenzeichnung nicht aufbrechen.

Junge Menschen aus dem Umfeld der gewaltbereiten rechten Skinheadszene, wie sie dergestalt beschrieben werden, wird man vermutlich nicht im Theater antreffen. Und so wird auch die Frage, was und wen man mit einem solchen Theaterabend erreichen kann, unbeantwortet bleiben. Aber das ist wiederum ein anderes Thema.

CLAUDIA GASS