Ein engagierter Reformer im Haifischbecken

Der Syrer Riad Seif erhält heute den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar. Er wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt

Riad Seif ist eine Art syrisches Politbarometer. Je offener der Geschäftsmann, Parlamentarier und Regimekritiker sagen kann, was er denkt, desto besser steht es um den politischen Reformprozess in seinem Land. Seit März letzten Jahres sitzt der 57-Jährige nun in Damaskus im Gefängnis. Er habe „einen Geheimbund geschaffen und illegale Treffen organisiert, um die syrische Verfassung mit illegalen Mitteln zu verändern“, heißt es in der Begründung des Urteils, mit dem Seif für fünf Jahre weggesperrt wurde. Heute verleiht ihm die Stadt Weimar ihren Menschenrechtspreis 2003. Seine Tochter Joumana wird die Auszeichnung stellvertretend entgegennehmen.

„Einen neuen Wind“ hatte der junge Präsident Baschar Assad angekündigt, als er im Sommer 2000 die Macht übernahm. Baschar kündete politische und wirtschaftliche Reformen an, und Seif reizte von Anfang an die neuen Spielräume aus. Zwei Monate nach Baschars Amtsübernahme forderte er zusammen mit 99 weiteren syrischen Intellektuellen mehr Demokratie. Er organisierte Debattierclubs, in denen beispielsweise über die Einführung eines echten Mehrparteiensystems gesprochen wurde. Die roten Linien des Regimes waren schnell überschritten. Zunächst wurden Seif und seine Mitstreiter von den Geheimdiensten eingeschüchtert, dann wurden die Debattierclubs dichtgemacht. „Um Baschar herum gibt es noch einige Dinosaurier, die alles blockieren“, meinte Seif dazu.

Doch er gab nicht auf. Als Parlamentarier, argumentierte er, müsse er auch Leute privat empfangen können. Er war der Erste, der es erneut wagte, zu einem Diskussionsforum einzuladen. Das Thema des Abends am 6. September 2001 lautete: „Wie können echte staatliche Institutionen geschaffen werden, die dann nicht nur theoretisch zur Rechenschaft gezogen werden können?“ Am gleichen Abend wurde Seif festgenommen.

Vielleicht wurde ihm aber auch eine andere Aktivität zum Verhängnis. Wenige Wochen zuvor hatte er eine Kampagne gegen die „syrischen Haie“ gestartet. Dabei ging es um illegale Machenschaften beim Aufbau des lukrativen Mobilfunknetzes, in die auch Familienmitglieder des Präsidenten verwickelt sein sollen. Seif nahm wie immer kein Blatt vor den Mund. „Die alten Haie ziehen immer noch ihre süchtigen Kreise auf der Suche nach Blut“, erklärte er damals.

Mit Argumenten wie dem, Reformen bräuchten einfach Zeit, wollte sich Seif nie abspeisen lassen. „Wir können nicht unbegrenzt mit Reformversprechungen leben“, erwiderte er stets. Genau so, wie er immer wieder in der Öffentlichkeit einen seiner Grundsätze wiederholte: „Die Leute wollen keine Geschenke von oben, sondern ihre Rechte.“ Für engagierte Demokraten wie Seif will sich auch eine interfraktionelle Initiative des Bundestags einsetzen, die heute einen entsprechenden Antrag einbringen will. Name der Initiative: „Parlamentarier helfen Parlamentariern“. KARIM EL-GAWHARY