piwik no script img

Archiv-Artikel

Immer mehr Berliner fahren Rad

betr.: „Rot-Rot radelt auf die Straße“, „Radfahren ist hier lebensgefährlich“, taz vom 3. 11. 04

Es sind Kommentare wie diese, die das eigentliche Problem sind. Das ganze Leben ist Werbung. Nie würde die Automobilindustrie und -lobby ihr Verkehrsmittel und die Bedingungen so verunglimpfen, wie es so genannte Freunde des Fahrrads in irgendwelchen dunklen Redaktionsecken noch immer gern tun.

Es geht nicht darum Kritik zu unterbinden, aber die Fakten müssen stimmen: 10 Prozent der Berliner fahren täglich Rad, trotzdem sind nur 6.100 Unfälle oder 4,75 Prozent von insgesamt 128.369 Straßenverkehrsunfällen in Berlin im Jahr 2003 mit Fahrradbeteiligung. Rechnet man die relevanten Fahrradunfälle (schwere und tödliche) zusammen, gibt es seit 1999 einen Rückgang von 627 auf 487 Fällen – also fast einem Viertel. Im Jahr 2004 gab es bis zum heutigen Tag zehn tödliche Fahrradunfälle, im Vergleichszeitraum 2003 waren es 22 – ein Rückgang um 55 Prozent. Gar nicht bemerkt? Natürlich sind gerade diese statistisch kleinen Zahlen – in der Mehrzahl von nach wie vor vermeidbaren Unfällen, Stichwort „toter Winkel“– von starken Schwankungen betroffen. Trotzdem gibt es eine Tendenz seit Anfang der 90er-Jahre, dass immer mehr Berliner Rad fahren – ihr Anteil am Gesamtverkehr wuchs von 6 auf 10 Prozent. Dies war weniger mehr oder besseren Radverkehrsanlagen zu verdanken, sondern dem Druck der Straße – die Leute wollten einfach Rad fahren. Schon allein die größere Zahl an Radfahrern hat diesen eine größere Aufmerksamkeit und damit einen Rückgang der Unfallzahlen beschwert. Das Gegenteil aus Ländern wie Australien oder Spanien belegt, wo nach massiven Angstkampagnen gegen das Fahrrad dessen Nutzung stark zurückging und das individuelle Verletzungsrisiko der verbliebenen Radfahrer stieg. […] Wer noch immer aus „Sicherheitsgründen“ nicht aufs Fahrrad, sondern ins Auto steigt, induziert eine größere Unfallgefahr für sich und andere. BENNO KOCH

Schön, dass mal wieder was für den Radverkehr getan wird. Die Bemühungen werden aber leider nichts nützen, wenn sich nicht eine andere Geisteshaltung bezüglich der Radfahrer einstellt. Vielleicht sollten die Verkehrssenatoren das viele Geld endlich mal in Aufklärungskampagnen stecken und nicht in den Bau immer neuer Radwege. Denn das Hauptproblem ist in meinen Augen immer noch das ignorante Verhalten bzw. die Unkenntnis vieler Autofahrer.

Die meisten wissen schlicht nicht, dass a) ein Fahrrad gemäß StVO ein Fahrzeug ist und als solches – gleichberechtigt – die Straße benutzen muss – (außer es gibt einen benutzungspflichtigen Radweg), b) dass Radfahrer Rad- und andere Wege nutzen können, c) dass ein Radweg – nur – dann benutzungspflichtig ist, wenn dieses angeordnet ist (ersichtlich durch ein entsprechendes blaues Schild mit ’nem Fahrrad drauf), d) dass ein überholendes Fahrzeug einen Mindestabstand von 1,50 Meter zum Radfahrer einhalten muss (egal, ob sich dieser nun (scheinbar) falsch verhält oder nicht).

Wenn von Seiten der Politik nur immer neue Radwege gebaut werden, verstärkt sich dieses Bild nur noch. Der Normalautofahrer bekommt dann immer stärker den Eindruck, dass Radfahrer im Verkehr nix zu suchen haben. Ganz abgesehen davon, dass die meisten meinen, dass das Geld für die Radwege aus den Kfz-Steuern stammt.

An dieser Stelle sollte mal gearbeitet werden, auch von der Seite der Medien. CARSTEN GIPS