: Immer Ärger mit der unpünktlichen Bahn
Verspätungen haben in letzter Zeit zugenommen. Verkehrsbund Rhein-Ruhr: An einigen Tagen kommt fast jeder zweite Zug nicht rechtzeitig. Bahnchef Mehdorn: Der Herbst ist schuld. Nasses Laub auf Schienen und Rädern erschwere das Bremsen
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Die junge Frau auf Gleis 5 des Kölner Hauptbahnhofs kann es einfach nicht verstehen: „Schon wieder der gleiche Mist“, schimpft sie. Der Zug, der sie nach Düsseldorf bringen soll, hätte schon vor zehn Minuten abfahren sollen. Aber er ist immer noch nicht da. Wie in den vergangenen Tagen des Öfteren. „Wie kann ein Zug Verspätung haben, der hier erst eingesetzt wird?“, fragt sie erbost. Das ist eines der vielen Mysterien, mit denen die Deutsche Bahn AG ihre Kunden in diesem Herbst in ungläubiges Staunen versetzt.
Nicht nur in Köln, auf allen Bahnhöfen zwischen Rhein und Weser ist die Stimmung der Fahrgäste schlecht – grottenschlecht. Kein Wunder bei Verspätungen allerorten, ausfallenden oder hoffnungslos überfüllten Zügen und miserablem Kundenservice: herbstliche Chaostage bei der Bahn. Nur Hartmut Mehdorn verkündet auch vor der heutigen letzten Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG in diesem Jahr unverdrossen: „Die Bahn ist besser, als alle dies in diesem Land wahrnehmen wollen.“
Das sieht der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) anders. „Extreme Unpünktlichkeit, Zugausfälle und fehlendes Wagenmaterial“ verursachten drastische Probleme im Nahverkehr auf der Schiene. So läge an einigen Tagen die Pünktlichkeit deutlich unter 60 Prozent. Außerdem sei es mehrfach vorgekommen, dass Fahrgäste auf Bahnhöfen zurückbleiben mussten, weil Züge durch so genannte Minderbehängung zu kurz seien. Unzureichend sei auch die Kundeninformation bei Störungsfällen und Verspätungen. Eine Umfrage unter Fahrgästen, von der NRW-Verbraucherzentrale im Auftrag der Landesregierung durchgeführt, kam zu dem Ergebnis, dass ein Bahnkunde im Jahr eine ganze Woche Arbeitszeit unproduktiv an der Bahnsteigkante verbringt, weil Züge nicht pünktlich fahren. Der VRR verlangt zusätzliches Wagenmaterial, mehr Werkstattkapazitäten und die Freigabe von Fernzügen bei Verspätungen im Nahverkehr von mehr als 15 Minuten.
Von einer generellen Freigabe der ICs und ICEs will die Bahn bislang nichts wissen. Immerhin will sie, nach langem Streit mit der Bundesregierung, ihren Kunden nun doch noch ein einklagbares Recht auf Schadenersatz bei Verspätungen einräumen. Aber nur freiwillig, ohne gesetzliche Regelung.
„Es gibt so eine Jahreszeit, da haben wir besondere Probleme“, versucht Bahnchef Mehdorn die Gemüter zu beruhigen. Der Herbst sei schuld, weil in dieser Zeit, wo „das Laub verwest, wenn es denn regnet, unsere Schienen, unsere Bremsen, unsere Räder mit einem leichten Verwesungsfilm der Blätter benetzt sind. Dadurch können wir mit unseren Bremsen nicht die Wirkung erzeugen.“
Was Mehdorn nicht sagt: Der fiese Herbst ist erst seit der Bahnreform Mitte der Neunzigerjahre ein Problem. Denn zuvor reichten die Werkstattkapazitäten, um defekte Züge schnell zu reparieren. Und es gab viele Reservezüge, sodass die Fahrgäste von der Laubattacke auf die Bahn kaum etwas bemerkten. Der jungen Frau, die am Kölner Hauptbahnhof wartet, reicht es jedenfalls: „Morgen fahre ich mit dem Auto.“