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Archiv-Artikel

„Viele hängen dem Irrglauben an, Aids sei heilbar“

Die Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes über ihre Präventionsarbeit bei der Aids-Hilfe Köln: Ein großes Problem sei das schwindende Risikobewusstsein bei jungen Menschen. HIV-infizierte Frauen sind besonders benachteiligt. Für sie werden spezielle Hilfsangebote entwickelt

taz: Frau Scho-Antwerpes, wieso nehmen in Deutschland und auch hier in Köln HIV-Infektionen wieder zu?

Elfi Scho-Antwerpes: Mich erschreckt es mich immer wieder, wie sorglos Menschen mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit umgehen. Ein Problem ist wohl, dass Aids nicht mehr so sichtbar ist. Seit es neue Medikamente gibt, die den Krankheitsverlauf verlangsamen, hängen viele Menschen dem Irrglauben an, Aids sei heilbar oder wenigstens mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Entsprechend werden sie sorglos und risikobereiter. Doch Aids ist nach wie vor tödlich.

In diesem Jahr stehen die Frauen im Zentrum der Kampagne zum Welt-Aids-Tag. Aus welchem Grund?

Frauen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor sozial, wirtschaftlich und kulturell benachteiligt, besonders Migrantinnen aus nicht-europäischen und osteuropäischen Ländern, in denen HIV stark verbreitet ist, Drogenkonsumentinnen oder Frauen in der Drogen- und Armutsprostitution. Gerade Migrantinnen benötigen besondere Informationen über HIV. Wir betreuen in der Aids-Hilfe Köln auch eine Gruppe infizierter afrikanischer Frauen. Und wir bieten Sprachkurse zur Integration an, um gezielt Aufklärungsarbeit leisten zu können.

In Köln leben zur Zeit etwa 2.000 Menschen mit Aids, 200 von ihnen sind Frauen. Wie sieht die Situation der Frauen in Köln aus?

In diesem Jahr haben wir in Köln bisher 90 gemeldete Neuinfektionen, davon sind 15 Frauen. Die Vermutung geht aber dahin, dass mehr Frauen in Köln infiziert sind.

Und woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Obwohl Frauen in den letzten Jahren mehr Selbstbewusstsein entwickelt haben und häufig auf den Gebrauch von Kondomen bestehen, um sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen, gibt es trotzdem eine Gefährdung durch blindes Vertrauen und Verdrängung möglicher Gefahren. Nur unter den Drogenbenutzerinnen ist die Infektionsrate in den letzten Jahren von 19 auf 9 Prozent zurückgegangen, weil sie vermehrt Einwegspritzen und Kondome benutzt haben.

Ein immer noch sehr tabuisiertes Thema ist HIV und Schwangerschaft.

Oh ja, und das, obwohl die medizinischen Möglichkeiten der Vorbeugung inzwischen so gut sind, dass bei einer bekannten HIV-Infektion der Schwangeren das Risiko einer Übertragung auf das Kind auf unter zwei Prozent reduziert werden kann.

Welche Beratungs- und Betreungsangebote gibt es für die betroffene Gruppe in der Aids-Hilfe Köln?

Wir bieten eine anonyme Telefonberatung für Betroffene an, Soziale- und Krankenbetreuung von Infizierten, einen Mittagstisch, Gesundheitsförderung und vieles mehr. Für Frauen mit Kindern haben wir besondere Angebote. Wir organisieren Kinderbetreuungen, bieten Hilfestellung an, wenn das Kind in den Kindergarten oder in die Schule kommt, um mögliche Repressalien zu verhindern und Vorurteile abzubauen.

Wie sieht die Präventionsarbeit der Aids-Hilfe in Köln konkret aus?

Wir gehen in die Schulen und versuchen dort, die jungen Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Obwohl jeder schon von Aids gehört hat, wissen trotzdem viele junge Menschen erschreckend wenig über die Krankheit und Präventionsmöglichkeiten. Sie blenden Aids einfach aus. Um die Krankheit sichtbar zu machen, gehen wir auch mit Betroffenen in die Schule. Denn wir wollen den jungen Menschen ganz deutlich zeigen, was es heißt, HIV-positiv zu sein: Wie sehr Aids das Leben einschränkt und dass man nicht wirklich in die Zukunft planen kann. Deshalb sollten Kondome nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche eine Selbstverständlichkeit sein. Denn einmal ungeschützter Sex reicht, um sich zu infizieren.

Interview: Brigitte Maser