: Nadelstiche mit Langzeitwirkung
Auch Kölns designierter CDU-Chef Walter Reinarz hört jetzt auf ihn: Ausgerechnet im kommenden Wahlkampf berät der unbequeme Querdenker Franz Meurer die beiden großen Parteien der Stadt
von FRANK ÜBERALL
„Die kleinen Leute vor Ort sollen Macht bekommen“, fordert Franz Meurer, der „Armenpfarrer“ aus Vingst. Auf dem Weg zu einem sozialeren Köln redet der alternative Ehrenbürger immer wieder den vermeintlich Mächtigen der Stadt ins Gewissen: „Verwahrlosung lässt sich nur durch eine Kultur der Anerkennung stoppen.“ Nach SPD-Chef Jochen Ott, der schon in seiner Pfarrjugend aktiv war, hat Meurer jetzt einen weiteren Zuhörer. Öffentlichkeitswirksam kündigte Kölns designierter CDU-Chef Walter Reinarz pünktlich zu seinem heutigen Wahlparteitag an, er werde sich nun auch von Meurer beraten lassen.
Ausgerechnet im kommenden Kommunalwahljahr berät der quer denkende Pfarrer dann beide großen Parteien in der Stadt. „Man muss doch die wenigen Menschen, die bereit sind, sich politisch zu engagieren, nach Kräften unterstützen“, sagte Meurer im Gespräch mit der taz. Der 52-Jährige ist schon seit seinem 17. Lebensjahr Mitglied der CDU.
Mit der CDU im Clinch
Die soziale Not in seinem Pfarrgebiet Vingst und Höhenberg aber ließ eine Vision in ihm reifen: „Es wäre schön, wenn sich alle Parteien einmal gemeinsam mit einer Sachfrage beschäftigen würden.“ Für Meurer ist das ein gerechtes Köln, er will das soziale Gewissen der Stadt sein.
Der belesene Mann liegt mit seiner eigenen Partei, der CDU, seit Jahren im Dauerclinch. „Ich bin da drin, weil es die CDA gibt“, spielt er auf den innerparteilichen Arbeitnehmerflügel an. „Die CDA hat viele Mitglieder, aber in der CDU keine gute Position.“ Durch das Bohren dicker politischer Bretter will Meurer versuchen, das zu ändern. Auch wenn Walter Reinarz für seinen engeren Vorstand keinen einzigen Arbeitnehmer nominiert hat.
Widerstand macht Meurer erst richtig stark. Öffentlich kritisierte er die CDU-Pläne zur Privatisierung der städtischen Wohnbaugesellschaft GAG und machte gegen die inhumane Flüchtlingspolitik mobil. Nadelstiche mit Langzeitwirkung. Als „Berater“ hat er zur aktuellen Lage der spendenskandalisierten Kölner Union auch schon die passenden Worte parat: „Man muss Spenden auch ablehnen“, mahnt er eindringlich: „Ich habe als Pfarrer zum Beispiel noch niemals eine Dankeschönspende angenommen, wie es viele meiner Kollegen leider manchmal tun.“ Einflussnahmen über verdeckte Geldzuwendungen dürfe es nicht geben: „Barspenden sind immer blöd.“
Schulangebot für Klaukids
Die christliche Soziallehre wieder in die aktive Kommunalpolitik tragen – das ist Meurers Grundgedanke. „Die Menschen müssen nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch vor der Verwaltung gleich sein“, wirbt er um Respekt gegenüber allen Bevölkerungsgruppen. Dazu gehöre zum Beispiel auch ein konsequentes Schulangebot für die so genannten Klaukids. „Ich wäre als Kind doch auch auf dumme Gedanken gekommen, wenn ich dauernd zu Hause rumgelümmelt wäre.“ Und den neuen Tarif für den Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), an dem Reinarz als früherer Geschäftsführer mitgebastelt hatte, geißelt Meurer als Unfug: „Für mich ist es ein Horror, dass Hunde umsonst fahren sollen und Kinder bezahlen müssen.“
Ehrenamtliche Initiativen sollen nach Ansicht von Meurer auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen gefördert werden. „Ich habe nichts dagegen, dass Geld ein Tauschmittel ist – aber es ist eben nur eines der möglichen Mittel“, philosophiert der Pfarrer und hofft auf ein Netz der sozialen Hilfe, das von den Bürgern selbst aufgebaut wird. Die Segmentierung müsse aufgehalten werden, die Bevölkerung müsse zum Mitmachen animiert werden. Auch in den demokratischen Parteien.
„Einfluss nehmen“
Deshalb sitzt Franz Meurer gerne bis spät in die Nacht in seiner Wohnung, liest Tagespresse, Bücher und Fachzeitschriften und schneidet die wichtigsten Artikel aus. Das sind meist Berichte mit sozialpolitischen Denkansätzen. Die schickt er dann an die Politiker, die sich nach außen rühmen, von ihm „beraten“ zu werden. „Wir müssen Einfluss nehmen durch Kommunikation“, ist Meurers Motto. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er durch seine kleinen Nadelstiche gerade im Kommunalwahlkampf sowohl die Sozial- als auch die Christdemokraten noch auf einen sozialen Weg führen kann.