„Ordnung muss sein“

Schlagabtausch um neues Polizeigesetz in Niedersachsen: „Verbrannte Erde für die Bürgerrechte“, rügt die rot-grüne Opposition. Die CDU findet das Gesetz „liberal“

HANNOVER taz ■ „Wir werden heute das liberalste Polizeigesetz in Deutschland verabschieden“, freute sich Hans-Christian Biallas. Dann packte der CDU-Innenexperte gestern im Landtag noch einen drauf: „Ordnung muss sein. Unordnung schränkt die Freiheit der Bürger in nicht hinnehmbarer Weise ein“. Nicht hinnehmbar findet auch die Opposition das gestern mit Stimmen von CDU und FDP verabschiedete Gesetz. Als „gravierendste Verschärfung“ geißelte der grüne Fraktionsvize Hans-Albert Lennartz die sogenannte präventive Telefonüberwachung, nach der die Polizei demnächst ohne konkreten Verdacht Gespräche abhören darf. „Einfach mal so auf Verdacht Telefone abhören“ – das könnten sich wohl „nur Leute ausdenken, die von Strafverfolgung keine Ahnung haben“, betonte Niedersachsens Ex-Innenminister Heiner Bartling (SPD). Selbst Staatsanwälte hätten „schwerste Bedenken“ gegen die Regelung, sie verwische die Grenzen zwischen Verfassungsschutz und Polizei, sagte der SPDler. Die bestehenden Gesetze reichten aus.

Den „größten Bock“ hätten die niedersächsischen Liberalen geschossen, meinte Bartling. Die FDP-Bundestagsfraktion habe empfohlen, auf vorbeugendes Lauschen zu verzichten, so lange die rechtlichen Mängel bei der Anordnung solcher Maßnahmen nicht behoben seien. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) betonte, dass er mit der Regelung nur Schwerstkriminalität verhindern wolle: „Es geht um zwei, drei, vier Fälle im Jahr“.

Auch die Einführung des Ordnungsbegriffs im Gesetz kam bei der Opposition nicht gut an: „Sie schaffen verbrannte Erde für die Bürgerrechte in Niedersachsen“, rügte Lennartz. „Sie ändern das Polizeigesetz, um sich den Anblick von Obdachlosen und Bettler zu ersparen“, empörte sich Bartling. Rechtliche Möglichkeiten, um beim Wegwerfen von Müll ein Bußgeld zu verhängen – und damit „Ordnung“ zu schaffen – seien längst vorhanden.

Auch an der neuen „Lex Castor“, nach der potentielle Straftäter künftig nicht mehr nur vier, sondern bis zu zehn Tagen präventiv in Gewahrsam genommen werden dürfen, fanden SPD und Grüne wenig Gutes. „Die Polizei wird ja nicht massenhaft in Gewahrsam nehmen“, sagte hingegen CDU-Mann Biallas. Die Regelung sei nicht nur wegen des Castors, sondern auch wegen der Fußball-WM 2006 nötig. ksc