: Ein palästinensischer Außenseiter
Der Arzt und Menschenrechtler Mustafa Barghuti tritt bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Januar an
Mustafa Barghuti gehört zu den wenigen Palästinensern, die in der ausländischen Presse kaum eine geringere Beachtung genießen als in der einheimischen. Als Chef des HDIP (Health Development Information and Policy Institute) ruft er regelmäßig die Korrespondenten zu sich, um sie über die Folgen der militärischen Besatzung für die Zivilbevölkerung zu informieren. Diese Woche kündigte er seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 9. Januar an.
Um den „kleinen Mann“ geht es ihm, dem, der nicht über die notwendigen Verbindungen verfügt, um ein Stipendium oder einen Job zu bekommen. Und gerade dem „kleinen Mann“ in den Palästinensergebieten ist Barghuti kaum ein Begriff. Vor allem im Vergleich zu seinem Hauptgegner im Wahlkampf: PLO-Chef Mahmud Abbas, genannt Abu Masen, Mitbegründer der Fatah-Partei und Funktionär seit 40 Jahren.
Doch gerade die Tatsache, nicht der Führungsriege anzugehören, macht Barghuti zum Kern seines Wahlkampfs. „Die politischen Strukturen müssen grundsätzlich verändert werden“, meint der 50-jährige Arzt, der in Moskau Medizin studierte und später Management an der Stanford University in Kalifornien. „Mit allem Respekt für die Fatah“, der es in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen sei, „Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und demokratische Strukturen“ zu schaffen, beginnt er seine Kritik an der Führung. Die Zeit sei reif, nun endlich Resultate zu sehen. Dazu bedürfe es einer „kompetenten Verwaltung“, auch mit Blick auf den Kampf gegen die Besatzung, der fortgesetzt werden müsse, allerdings nicht mit gewaltsamen Mitteln. „Die Militarisierung der Intifada war ein schwerer Fehler, der nur Scharon half“, sagt er.
Schon vor über zwei Jahren forderte Barghuti die Bildung einer nationalen Notstandsregierung und freie Wahlen aller Regierungsinstitutionen. Im Juni 2002 gründete er zusammen mit Haidar Abdel Schafi, Chef der palästinensischen Delegation bei der Friedenskonferenz 1991 in Madrid, die „Al Mabadara“ (Nationale Initiative), die sich unter anderem für eine Gewaltenteilung und eine unabhängige Gerichtsbarkeit, für mehr Transparenz der Finanzen sowie eine Neustrukturierung der Sicherheitsdienste einsetzte. Edward Said schrieb damals über die „vielversprechende Initiative der Basisaktivisten“, sie seien zu einer Art von Demokratie verpflichtet, wie sie sich „die derzeitige Verwaltungsbehörde nicht erträumen würde“, da sie einzig an „Stabilität und Sicherheit ihrer selbst“ interessiert sei.
Ohne die Fürsprache von populäreren Palästinensern, als er selbst, wird Barghuti der Wahlsieg kaum gelingen, auch wenn die Frustration im Volk über die Versäumnisse der vergangenen zehn Jahre groß ist. Barghuti selbst ist optimistisch. So bestätigten ihm Umfragen bereits jetzt eine Quote von „26 Prozent gegenüber 39 Prozent für Abu Masen“, und das, ehe der Wahlkampf überhaupt begonnen hat.
SUSANNE KNAUL