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Archiv-Artikel

Kein Geld für Opfer des Kosovokriegs

Landgericht Bonn lehnt Schadenersatzansprüche von 35 Serben wegen Angriff auf Brücke von Varvarin ab. Nur Staaten können Reparationen aushandeln. Bei dem Angriff im Jahre 1999 wurden zehn Menschen getötet und 17 schwer verletzt

Laut Gericht fehlt die Rechtsgrundlage, wenn Personen einen Staat wegen Kriegsschäden verklagen

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Die Bundesrepublik muss keinen Schadenersatz für ihre Beteiligung am Kosovokrieg 1999 zahlen. Dies entschied gestern das Landgericht Bonn. Das Urteil war so erwartet worden. Geklagt hatten 35 jugoslawische Staatsangehörige, die bei einem Nato-Luftangriff am 30. Mai 1999 verletzt wurden oder Verwandte verloren hatten.

Zwei Nato-Kampfflugzeuge hatten damals die Brücke in dem 4.000-Einwohner-Städtchen Varvarin, etwa 180 Kilometer südlich von Belgrad, bombardiert. Drei Mädchen stürzten in den Tod. Bei einem zweiten Angriff Minuten später erwischten die Granaten Menschen, die helfen und retten wollten. Bilanz des Doppelschlags: zehn tote Zivilisten, siebzehn Schwerverletzte.

Dabei war die Brücke von Varvarin weitab vom Kriegsgeschehen und militärisch völlig unbedeutend. Belebt war sie an diesem Tag vor allem, weil im Städtchen das orthodoxe Dreifaltigkeitsfest gefeiert wurde. Die Kläger verlangten jetzt 710.000 Euro Schadenersatz, weil gegen die Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten im Krieg verstoßen wurde. Die deutsche Luftwaffe war an dem Angriff zwar nicht beteiligt, die Zielplanung hätten die Nato-Staaten aber gemeinsam zu verantworten. Einer der Kläger sagte im Prozess sagte, man habe einfach nicht genug Geld gehabt, um in den USA gegen die dortige Regierung zu klagen.

Doch auch beim Bonner Landgericht blieben die Serben ohne Erfolg. Die Erste Zivilkammer des Gerichts lehnte die Klage gestern in vollem Umfang ab. Ausschlaggebend dafür war aber nicht die unklare Verantwortung der Bundesrepublik für die Toten und Verletzten von Varvarin. Vielmehr gebe es schon gar keine Rechtsgrundlage, als Einzelperson einen Staat für Kriegsschäden zu verklagen. Die Kläger könnten sich weder aufs Völkerrecht noch auf das deutsche Staatshaftungsrecht berufen.

Damit folgten die Richter der traditionellen Linie, wonach nach einem Krieg nur die Staaten untereinander über Reparationsforderungen verhandeln. So soll verhindert werden, dass nach Friedensschluss noch jahrzehntelang durch individuelle Schadenersatzprozesse und hohe Forderungen die Rückkehr zur Normalität verhindert wird. Was politisch machbar ist, sollen Diplomaten aushandeln. Allerdings steht das Völkerrecht in einer Umbruchphase. Nicht mehr nur Staaten, auch Individuen spielen heute eine Rolle. So könnten beim Jugoslawien-Tribunal und dem neuen Weltstrafgerichtshof in Den Haag, auch einzelne Täter für gravierende Verstöße gegen das Völkerrecht bestraft werden. Individuelle Schadenersatzansprüche folgen daraus jedoch nicht zwingend.

Vermutlich könnte eine solche Entwicklung auch nicht isoliert in Deutschland stattfinden. Sonst müsste letztlich der deutsche Fiskus, wie im konkreten Fall ja vorexerziert, für alle völkerrechtlichen Verfehlungen des Nato-Bündnisses aufkommen. Die Kläger kündigten Berufung an. (Az: 1 O 361/00)