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Archiv-Artikel

Opposition schont Peter Struck

Vorerst kein Untersuchungsausschuss im Bundestag zu den Misshandlungen von Rekruten durch Bundeswehrausbilder. Inspekteure der Teilstreitkräfte bei Struck

BERLIN afp/dpa ■ Union und FDP wollen vorerst keinen Untersuchungsausschuss zu den Misshandlungsvorwürfen in der Bundeswehr einsetzen. Von Seiten der Union werde es „keine Anstrengungen“ dazu geben, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kaudern (CDU), gestern. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, äußerte sich zurückhaltend zur Einsetzung eines Ausschusses. „Wir sind in der ersten Phase der Lagefeststellung“, sagte van Essen im DeutschlandRadio. Wegen der mindestens vier Fälle von Rekrutenmisshandlung sollte gestern im Verteidigungsministerium in Berlin ein Krisentreffen mit den Inspekteuren der Teilstreitkräfte stattfinden.

Verteidigungsminister Struck wird heute nochmals den Verteidigungsausschuss des Bundestages über die Vorfälle unterrichten. Erst wenn ein Gesamtüberblick vorliege, könne eine Bewertung vorgenommen werden, sagte van Essen weiter. Er rechne mit weiteren Misshandlungsfällen. Die Vorgänge müssten deshalb vom Bundestag sehr sorgfältig begleitet werden.

Die Augsburger Allgemeine hatte zuvor gemeldet, es gebe Überlegungen in der Union, den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Es ist wichtig, dass alles auf den Tisch kommt und alles überprüft wird“, sagte der CSU-Wehrexperte Hans Raidel der Zeitung. Der Stern berichtete in seiner jüngsten Ausgabe, in den Ausbildungskompanien der Bundeswehr solle wegen des „veränderten Aufgaben- und Einsatzspektrums“ mit mehr „Einsatzrealität“ geübt werden. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan habe bereits Anfang August den Truppen in einem Grundlagenpapier zur Wehrpflicht mitgeteilt, dass „Einsatzrealität künftig Ablauf und Inhalte der Regelausbildung aller Soldaten“ bestimmen werde. Fünf Kernbereiche sollten dabei ausgebildet werden, darunter „einsatzbezogene Gefechtsausbildung“ und „körperliche Leistungsfähigkeit zum Bestehen unter psychischen und physischen Dauerbelastungen“.

Der Unions-Verteidigungsexperte Christian Schmidt (CSU) sagte, es zeichne sich ein bedenklicher Mangel an politischer Führung und Dienstaufsicht ab. Struck sei der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, er habe auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Soldaten. „Offensichtlich ist vor lauter Reformeifer und Konzentration auf Auslandseinsätze die Ausbildung vernachlässigt worden … Die Ausbildung hat sich verselbstständigt.“

Der Chef des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, zeigte sich betroffen angesichts der Misshandlungsvorwürfe. „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass Ausbilder in der Bundeswehr auf die Idee kommen, Rekruten Stromstöße zu versetzen oder ihnen die Nase zuzuhalten und ihnen Wasser in den Rachen zu gießen“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Auch der katholische Militärbischof Walter Mixa äußerte sich besorgt über die bekannt gewordenen Misshandlungen. Der Sprecher des Heeres, Wolfgang Fett, sagte im WDR, natürlich sollten Soldaten „hart ausgebildet“ werden. Jedoch dürften dabei keine menschenunwürdigen Methoden benutzt werden.