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Archiv-Artikel

taz-adventskalender (2): bunkertor unter dem alexanderplatz Muffige Unterwelt mit langer Geschichte

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Gelb ist sie, mit ein paar Graffiti, und trotzdem ist die Tür zum Alexbunker leicht zu übersehen. Sie ist in die Wand des Fußgängertunnels, der vom Alexanderplatz zur Otto-Braun-Straße führt, eingelassen. Die meisten Leute, die vorbeigehen, wissen nicht, dass die Tür zu einem Bunker führt, der 2.500 Quadratmeter groß ist und sich über drei Etagen unter der Erde erstreckt.

Dunkel ist es und nass hinter der Tür. „Wenn es im Winter viel regnet, dann bilden sich richtige Pfützen, die auch nicht so schnell ablaufen“, erklärt Kay Heyne vom Verein Berliner Unterwelten, während er versucht, eine besonders große Pfütze zu umgehen. Es riecht muffig, außerdem ist es unheimlich in dem alten Bunker, der Fahrzeuglärm aus dem Autotunnel ist hörbar und die U-Bahn, die im Minutentakt vorbeirauscht, spürbar. Weiter unten hat man das Gefühl, direkt neben den Schienen zu stehen.

Eigentlich sollte aus dem Bunker Anfang der 1930er-Jahre mal ein Haus werden. Als der Architekt Peter Behrens den Auftrag bekam, den Alexanderplatz zu gestalten, hatte er neben dem „Alexander“- und dem „Berolina“-Haus den so genannten Hahnblock entworfen. Die Grube war schon gegraben, doch dann kamen die Nazis an die Macht, und die hatten andere Pläne. Ein Teil der Grube wurde 1940/41 für den Bau eines Arbeitsamtes verwendet, der Rest wurde zum Schutzraum für rund 3.000 Menschen während der Luftangriffe. „Tatsächlich waren die 50 Räume während der Bombenangriffe um ein Vielfaches überbelegt“, so Heyne. „Die Zeit im Schutzbunker muss grausam gewesen sein, die Luft war knapp, die Räume waren überfüllt. Die Toilette war der einzige Ort, an den sich die Menschen zurückziehen konnten.“ Zum Ende des Krieges nahmen sich viele aus Verzweiflung und Angst vor der Zukunft auf dem stillen Örtchen das Leben. Deswegen haben die heutigen Schutzbunker keine Türen mehr zu den Toiletten, sondern nur noch Vorhänge. In dem alten Bunker kann man teilweise die Stellen, an denen die Toiletten in den Boden gelassen waren, noch erkennen. Ein paar Spuren weisen auf die Gerätschaften hin, die es hier zu Kriegszeiten wohl gegeben hat, allerdings wurde nach dem Krieg alles, was irgendwie brauchbar war, abmontiert.

Jede Zeit hat Spuren hinterlassen im Bunker, jede eine neue Farb- und Gesteinsschicht. Zu DDR-Zeiten wurde das obere Geschoss von der Straßenbauverwaltung genutzt. Die unteren dienten teilweise zum „Aufbewahren“ von Transparenten, die allerdings innerhalb kürzester Zeit durchgeschimmelt waren.

Was aus dem Bunker in naher Zukunft werden wird, ist noch unklar. Gerüchten zufolge soll er bei der Neugestaltung des Alexanderplatzes abgerissen werden. Bis Ende März jedenfalls bietet der Verein Berliner Unterwelten immer sonntags von 11 bis 16 Uhr Führungen an (Eintritt 6 Euro). Und so findet die gelbe Tür im Fußgängertunnel am Alex zeitweise doch Beachtung.

ANNA MECHLER

Morgen: Tür zu einer Suite im Adlon