Nie mehr mülltrennen?

Der gelbe Sack ist 12 Jahre alt. Und wohl erledigt. Maschinen sollen übernehmen. Da werden all die grinsen, die sich um diese Art des gelebten Umweltschutzes einen Dreck scherten. Und die anderen?

VON HANNA GERSMANN

Der Joghurtbecher ist aus Plastik, sein Deckel aus Alu – Hilfe. Ankämpfen gegen das schlechte Umweltgewissen: Becher ausspülen, Etikett abknibbeln, Deckel abreißen. Dann sortieren: Becher in den gelben Sack, Aufdruck in die Papiertüte, Deckel in die Extratonne.

Geschafft. Alles wird gut. Entspannen.

Ja, der Deutsche handelt ökologisch. Ganz anders als die im Ausland etwa. Der Spanier. Kickt doch selbst die leere Bierdose in den Müll. Das Problem ist nur: Das Sammeln und die vielen Tonnen machen – ähem – gar keinen Sinn, sagen jetzt Experten. Das ist niederschmetternd.

Im Schnitt stopft jeder Bundesbürger tapfer knapp 80 Kilo Müll in die gelbe Tonne, 150 Kilo in die graue und 75 Kilo in die blaue Papiertonne. Wozu? Maschinen sollen besser sortieren können, direkt auf der Halde. Zu Hause sei das nicht effizient, postulierte die Stuttgarter Akademie für Technikfolgenabschätzung unlängst. Schuld seien Fehlwürfe.

Der Gelbe Sack ist dieses Jahr zwölf Jahre alt geworden. Zwölf Jahre, in denen der Satz „Mann, du musst den Müll trennen!“ selbst dem seltensten Gast in der Küche entgegengeschmettert wurde. Nichts hat es geholfen.

Wohin mit der ollen Schneekugel, die die Eltern damals aus dem Bayerischen Wald mitbrachten? Rein in den gelben Sack. Die hat aber keinen grünen Punkt. Wohin mit der alten, schäbigen Rührschüssel? Ist doch aus Plastik. Ja aber ohne, Sie wissen schon. Und die Apfelsinenschale? Ach so, nur ein Versehen.

So ging zuviel daneben. Deshalb jetzt also eine vollautomatische Technik. Neu ausgetüfelt. RWE Umwelt hat sie bereits getestet, schüttete anstatt der Gelben Säcke knapp 800 Tonnen schnöden Hausmüll aufs Fließband. Eine High-Tech-Maschine fischte aus dem Müllmix Metalle, Batterien, Folien, Kunststoffe. Das haben wir jetzt davon: Sie hat nicht ganz gut funktioniert, sondern mit großer Präzision gearbeitet – heißt es. Der Rest wird anstelle von Erdöl in einem Hochofen verbrannt. Das spart Energie. Der Roboter, das ist die Botschaft, ist der bessere Mülltrenner. Und wir schmeißen künftig alles wieder auf einen Haufen.

Tschö, du gelber Sack. Tschö, du grüner Punkt. Ihr wart ja eh zu teuer: Kostet den Bürger nämlich laut Europäischen Rechnungshof knapp 23 Euro pro Jahr. Als geheime Gebühr einfach auf den Preis für Cremedöschen, Saftkarton und Zahnpasta aufgeschlagen. Rund 19.000 Hersteller und Händler holen sich so die Lizenzgebühr zurück, die sie zahlen, um den grünen Punkt auf ihre Verpackung drucken zu dürfen. Zwei Milliarden Euro Umsatz macht das Duale System in Deutschland mittlerweile im Jahr und ist damit zum Big-Müll-Player geworden.

Nun könnte der inbrünstige Sammler einwenden, das sei nicht allein eine Frage des Geldes. Der Grüne Punkt sei doch politisch gewollt gewesen. Das stimmt ja auch. Zu allererst von Exumweltminister Klaus Töpfer, dem CDU-Mann, der dafür stand: Verpackungsflut eindämmen! Recycling stärken! Er definierte erstmals den Mehrwert eines alten Kartons gegenüber einem Packen frischen Papier. Er wollte die Kreislaufwirtschaft, die die Veredlungsenergie eines Produktes erhält. Grundsätzlich hat er überzeugt. Oder wäre sonst jemand auf die Idee gekommen, dass Umhängetaschen aus alten Lkw-Planen hipp sind?

Doch gibt es deshalb immer noch nicht weniger Verpackungsmüll: 1990, vor der Existenz der gelben Tonne, lag der bundesweite Verbrauch an Kartons, Tuben, Schachteln bei 12,8 Millionen Tonnen. 2002 waren es nur 0,2 Millionen weniger. Der grüne Punkt gibt eben auch jedem noch so unsinnigen Karton einen Heiligenschein: Kaufen, kein Problem, wird doch recycelt.

Das ist ja nicht falsch. Die Zeiten sind tatsächlich vorbei, in denen Plastikflaschen mit grünem Punkt plötzlich auf Deponien in Bulgarien auftauchten. Sie bleiben in Deutschland. Ein neue Plastikflasche wird aus der alten aber auch heute noch nicht. Dafür findet sie sich womöglich im eigenen Haus wieder – in Dämmsteinen, Fenstern, Rohren. Das ist sinnig, geht aber eben auch anders. Billiger, effektiver, ohne so viel Aufwand.

Wer Angst vor dem Abschied von Gelben Sack hat: So schnell geht das nicht. Dafür wissen erstens die Politiker zu gut: Den würde das deutsche Umweltherz nicht verkraften. Zum anderen gibt es viele Skeptiker, die die neue Technik längst nicht für ausgereift halten. Für all jene, die an den gelebten Umweltschutz glauben, geht es in nächster Zeit darum, die noch hämischer gewordenen Blicke derer auszuhalten, die sich um den gelben Sack immer einen Dreck geschert haben.

Ein Trost: Egal, wie es kommt, der überzeugte Sammler kann auch in ferner Zukunft zumindest seinen alten Stapel Zeitungen in die Hand nehmen, wahlweise ein paar leere Einwegflaschen – und zum Papier- oder Glascontainer trotten. Die nämlich werden uns für immer erhalten bleiben. Die Müllexperten finden, dass die graue Tonne für diese Wertstoffe zu dreckig sei.

Glück gehabt.