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Archiv-Artikel

DIE UNION IM VERMITTLUNGSAUSSCHUSS: ERSCHEINT STARK, IST SCHWACH Merkel ohne Bündnispartner

Ständig sickern neueste Stimmungsbilder aus dem Vermittlungsausschuss – das kann verwirren. Doch lässt sich das Gerangel höchst einfach zusammenfassen: CDU-Chefin Angela Merkel ist nicht zu beneiden. Die Union tritt zwar wie ein Kraftprotz auf, aber die können ja oft vor Muskeln nicht laufen. So geht es der Union, ihr fehlt das Drohpotenzial. Natürlich könnte sie im Bundesrat sämtliche Reformen blockieren. Aber mit diesem Obstruktionskurs wäre die Unionsspitze recht einsam. Denn die meisten CDU-Anhänger wollen die Reformen von Rot-Grün. Vier Beispiele:

Die vorgezogene Steuerreform: Dieses rot-grüne Lieblingsprojekt ist populär – zumindest bei der Bild-Zeitung, die seit Monaten für das Steuergeschenk agitiert. Bisher haben nur wenige Politiker die Daueranklage von Massenmedien riskiert. Und Merkel sollte da eine Ausnahme sein?

Die Gemeindefinanzreform: Die Union will die Freiberufler schonen. Das verärgert die Kommunen, die dringend mehr Steuern brauchen. Angeführt werden sie von Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Unionsbürgermeister stützen die SPD-Bundestagsfraktion – das ist eine große Koalition der neuen Art, aber ohne Merkel.

Hartz IV: Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe fordert die Union, dass die Kommunen sämtliche Langzeitarbeitslosen betreuen. Dies wollen die Gemeinden dringend verhindern. Wieder ist die Union allein unterwegs.

Tarifautonomie: Hier will die Union betriebliche Bündnisse gesetzlich vorschreiben. Dies könnte verfassungswidrig sein, vor allem aber sind selbst die Arbeitgebervertreter nicht begeistert, dass das Parlament in ihre Vertragsfreiheit hineinregiert. Und die meisten Betriebsräte fühlen sich mit Gehaltsverhandlungen überfordert. Wieder fehlen Merkel die Bündnispartner.

Ihr Problem ließe sich auch so beschreiben: Die SPD hat der Union das Programm geklaut. Im Kampf um die Mitte sind beide Volksparteien ununterscheidbar geworden. Darüber grämt sich nicht nur die SPD-Linke, sondern auch die Union. Nun will sie sich durch Extrempositionen profilieren – aber bei wem? Die Wähler bleiben mittig.

ULRIKE HERRMANN