: Zeitschriftenleser unter Verdacht
Polizisten durchsuchten 1.000 Wohnungen von Beziehern einer islamistischen Zeitschrift von Anhängern des verbotenen „Kalifatsstaats“. Bundesanwalt ermittelt gegen vier Männer. Handfeuerwaffen gefunden. Metin Kaplan wurde verhört
aus Köln PASCAL BEUCKER
Ein Zeitschriftenabonnement kann unangenehme Folgen zeitigen. Das durften die Bezieher von Beklenen Asr-I Saadet feststellen, als gestern Morgen die Staatsmacht vor ihrer Tür stand. In einer beispiellosen Großrazzia durchsuchten über 5.500 Polizisten und Staatsanwälte quer durch die Bundesrepublik mehr als 1.170 Wohnungen mutmaßlicher Anhänger des verbotenen „Kalifatsstaats“ des Islamisten Metin Kaplan.
„Den Betroffenen wird vorgeworfen, durch den Erwerb der Verbandszeitschrift Beklenen Asr-I Saadet den Zusammenhalt des so genannten Kalifatsstaats aufrecht zu erhalten“, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD). Die über 1.000 Beschuldigten sollen sich damit des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot schuldig gemacht haben.
Darüber hinaus ermittelt die Generalbundesanwaltschaft, die die gestrige Aktion veranlasste, gegen vier ehemalige Mitglieder des „Kalifatsstaats“ in Niedersachsen wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Wie eine Sprecherin von Generalbundesanwalt Kay Nehm mitteilte, habe das Bundeskriminalamt in Peine und Braunschweig nach konkreten Anhaltspunkten für den Verdacht gesucht, dass die Männer Anschläge geplant hätten. Ein Mann aus Braunschweig werde voraussichtlich heute dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt. In einer Wohnung im Berliner Stadtteil Wedding beschlagnahmten die Fahnder zwei geladene Handfeuerwaffen, mehrere Messer sowie Munition.
Betroffen von der bundesweiten Razzia war auch die Wohnung Metin Kaplans. Anschließend wurde der als „Kalif von Köln“ bekannt gewordenen Islamist vom BKA in Köln verhört. Seine Rechtsanwältin Ingeborg Naumann wies den Vorwurf, Kaplan steuere als Rädelsführer nach wie vor die Aktivitäten des „Kalifatsstaat“, vehement zurück. „Nach seiner Haftentlassung hat Herr Kaplan sich vollkommen in die Familie zurückgezogen“, so Naumann. Sie betonte, mit der Zeitschrift, die von der Generalbundesanwaltschaft als Beleg für die Aktivitäten Kaplans angeführt wird, habe er nichts zu tun.
Beklenen Asr-I Saadet ist bereits seit April vergangenen Jahres im Visier der Generalbundesanwaltschaft. Die in den Niederlanden gedruckte Zeitschrift, die heimlich in der bundesdeutschen Islamisten-Szene verkauft wird und auch im Internet unter www.teblig.net zu finden ist, gilt als Nachfolgepublikation von Kaplans früherer Vereinszeitung Ümmet-i Muhammed.
Der „Kalifatsstaat“ und 17 seiner Teilorganisationen waren am 8. Dezember 2001 durch das Bundesinnenministerium verboten worden, da sich ihre Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richte. Im September 2002 wurden weitere 16 Teilorganisationen des „Kalifatsstaats“ verboten. „Jeder Verstoß gegen das Verbot wird mit aller Härte und Konsequenz strafrechtlich verfolgt“, begrüßte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die gestrigen Durchsuchungsaktionen.