Land mit schlechtem Beispiel

Innenminister Behrens zwingt die Kommunen zu einer teuren Umstellung des Rechnungswesens. Das Land NRW geht die Einführung der kaufmännischen Buchhaltung dagegen eher ruhig an

VON MARTIN TEIGELER

Mit Mahnbriefen hetzt das Land NRW die Städte und Gemeinden zur Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens. 2008 sollen die kommunalen Verwaltungen nicht mehr nach den alten Regeln des Kameralismus wirtschaften, sondern wie Privatunternehmen. „Eine Stadt ist mit einem Konzern zu vergleichen: Deshalb braucht das Unternehmen Stadt auch eine betriebswirtschaftliche Buchführung“, sagt Innenminister Fritz Behrens (SPD). Doch die Übergangsfrist vom alten zum neuen System wird für die Städte teuer. Schon jetzt müssen Mitarbeiter geschult, neue Softwareprodukte gekauft und gewartet werden. Das Land geht die Umstellung dagegen gemächlich an. Nur eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe ist gebildet worden.

Mit dem neuen System müssen Abschreibungen ebenso in den Haushalt eingestellt werden wie laufende Kosten für notwendige Instandhaltungen. Auch das kommunale Vermögen muss von Experten genau bewertet werden. Das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF), so der Projektname im Behrens-Ministerium, habe seine Qualität in einem Testlauf unter Beweis gestellt, behauptet Behrens.

Die Kosten der Umstellung müssen die Kommunen komplett selbst bezahlen. „Der finanzielle Aufwand ist für die Kommunen überschaubar und leistbar“, behauptet Behrens. Allein die hoch verschuldete Stadt Duisburg hat für das NKF-Projekt jedoch 12 Millionen Euro verplant. „Wir haben mit den Mitarbeiterschulungen begonnen“, sagt der Duisburger Projektleiter Wolfgang Nickenig. Viele Kollegen seien von dem neuen System nicht überzeugt, zudem gebe es Probleme mit der Software des Anbieters SAP. Die Städte hätten sich mit der Reform abgefunden, sagt Andreas Wohland vom Städte- und Gemeindebund NRW. „Man kann auch von Resignation sprechen“, sagt Wohland. Insider berichten von Frustration bei kommunalen Verwaltungsleuten. Innenminister Behrens nerve die maroden Städte mit immer neuen und teuren Vorhaben. E-Government, neue Steuerung, NKF - „Das sind doch Lustveranstaltungen“, sagt ein Kommunalbeamter.

Die NKF-Einführung auf Landesebene läuft dagegen ohne jede Hektik. 2008 will auch die Landesregierung ihren Haushalt kaufmännisch aufstellen; passiert ist bisher jedoch wenig. „Da haben Sie den Finger in die Wunde gelegt“, sagt eine Sprecherin des NRW-Finanzministeriums auf taz-Anfrage. Bisher gibt es lediglich eine Arbeitsgruppe der betroffenen Ministerien. Mitarbeiterschulungen und Softwarebeschaffung wie in den Kommunen hat das Land noch vor sich. Auch der NKF-Gesetzentwurf wird statt 2004 wohl erst 2005 verabschiedet.

Im Nachbarland Hessen ist die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens zum Politikum geworden. Die CDU-Landesregierung musste Anfang Dezember eingestehen, dass die Umstellung finanziell nicht zu schultern ist. Die Einführung der neuen Buchhaltung sollte eine Viertelmilliarde Euro kosten. Jetzt will der hessische Finanzminister das Projekt zusammenkürzen. Kritiker sprechen schon von einem vorzeitigen Ende des gigantischen Vorhabens.