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Archiv-Artikel

Prostituierte aus den Städten vertrieben

Die Landeshauptstadt unterliegt vor Gericht einer Prostituierten: Sie muss für einen mißachteten Platzverweis nicht ins Gefängnis. Hurenorganisationen kritisieren das harte Vorgehen der Polizei in den Städten

RUHR taz ■ Eine Düsseldorfer Prostituierte rettete die Schludrigkeit des Ordnungsamtes: Sie muss keine 750 Euro für die Arbeit auf dem illegalen Straßenstrich bezahlen. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht lehnte am Donnerstag den Antrag des Ordnungsamtes aus formalen Gründen ab, weil die entsprechende Frist nicht eingehalten worden sei.

Das Ordnungsamt der Landeshauptstadt hatte die Prostituierte hinter Gitter bringen wollen. Sie hatte trotz dreier Platzverweise in der Charlottenstraße in Bahnhofsnähe angeschafft und die daraufhin fällig gewordenen Zwangsgelder von insgesamt 750 Euro nicht bezahlt. Für Düsseldorfs Sprecher Gregor Andreas Geiger ist das Urteil keine Überraschung. „Neu ist nur, dass es an die Presse kommt“. wundert sich der Stadtsprecher.

Nicht jedes Ordnungsamt ist so schludrig: Alle größeren Städte im Ruhrgebiet haben die Innenstädte zu „Sperrgebieten“ für Prostituierte erklärt. Wenn sie trotzdem anschaffen gehen, droht ein kurzfristiges Platzverbot, werden sie noch einmal erwischt, kann ihnen sogar für drei Monate der Aufenthalt am entsprechenden Ort verboten werden. In Düsseldorf traf das Verbot in diesem Jahr 43 Huren; sie wurden vor allem aus der Nähe des Hauptbahnhofes vertrieben. Die Prostituiertenszene ist dadurch allerdings nicht kleiner geworden: „Sie ist jetzt in den Hinterzimmern verschwunden“, sagt Michael Zimmermann vom Ordnungsamt. Trotzdem hält er die Maßnahmen für richtig: Die größten Auswüchse des Straßenstrichs seien so verhindert worden, Frauen und Mädchen könnten nun wieder unbehelligt durchs Bahnhofsviertel laufen und auch die kreisenden Autos der Freier seien weniger geworden. „Das Gebiet ist jetzt schöner“, sagt der Ordnungsmann.

Nach 43 Aufenthaltsverboten sei das Gebiet „jetzt viel schöner“ geworden

Astrid Gabb von dem landesweit einzigartigen Selbsthilfe- und Beratungsprojekt „Madonna“ in Bochum glaubt nicht, dass die Huren nun in Hinterzimmern arbeiten würden. „Die Frauen müssen nach Platzverboten immer in Randgebiete, oft auch in Industriezonen, ausweichen“, sagt Gabb. Dort sei die Arbeit für die Frauen aber noch gefährlicher: „Es ist dunkel, es ist abgelegen und einsam, es gibt keine Toiletten.“ Die Sperrgebiete der Kommunen findet Gabb lächerlich: „An jeder Wand hängen nackte Körper, das ist die absolute Doppelmoral der Städte.“ Ohne Sperrgebiete ginge es den Prostituierten wesentlich besser.

Gisela Zohren von der Dortmunder Mitternachtsmission findet kleinere Sperrgebiete hingegen sinnvoll. „In der Nähe von Kindergärten oder Kirchen kann das ganz sinnvoll sein“, sagt sie. Meistens seien aber ganze Innenstädte abgesperrt oder das Gebiet werde „inoffiziell“ ausgeweitet. „Die Polizei hält sich nicht an die Sperrgebiete und teilt überall aus.“ Es genüge oft, dass sich Geschäftsleute beschwerten, und schon rücke die Sitte an. Bisher habe aber noch keine Hure dagegen klagen können: „Das trifft immer die Ärmsten der Armen.“

ANNIKA JOERES