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Archiv-Artikel

Albernes Herumkrücken

Quo vadis, Homo erectus? Eine Wanderung durchs Walking-Wegenetz

Der Minister für Albernes Gehen hätte seine Freude an den lachhaften Walkern

Der erste Schritt im aufrechten Gang – da ist sich die Forschung weitgehend einig – war ein prähistorischer Quantensprung in der Menschheitsgeschichte. Kantapper, kantapper auf zwei Beinen stolperten diverse Gattungen der Hominiden-Familie stracks in Richtung Zukunftsperspektive. Ein Ereignis, vergleichbar nur mit der etwas späteren Erfindung der Relativitätstheorie, der ersten Portion Pommes rot-weiß und dem ersten tastenden Griff zur Fernbedienung. Unbestritten rangiert der aufrechte Gang auf der Liste der hundert bedeutendsten Innovationskonzepte irgendwo ganz weit vorne.

Da der noch sprachlose Homo erectus (Alter: 1,8 Millionen bis 40.000 Jahre) eine Weile brauchte, um seine Gliedmaßen zu ordnen, waren erhebliche Evolutionsschübe erforderlich, bis die nächste Entwicklungsstufe markiert war. Als bahnbrechend in diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von John Cleese einzustufen, um 1970 Minister für Albernes Gehen in Großbritannien. Der engagierte Verfechter exzentrischer Fortbewegungsweisen ohne Hilfsmittel, der selbst aktiv am Forschungsgeschehen teilnahm, gilt in Fachkreisen bis heute als Autorität auf diesem Gebiet, zumal es ihm trotz eines vergleichsweise lächerlichen Jahresbudgets von 348 Millionen Pfund und erheblicher japanischer und israelischer Konkurrenz gelang, die Nachwuchsförderung nicht zu kurz kommen zu lassen.

Über dreißig Jahre sind seitdem vergangen, ein Zeitraum, der geprägt war vom unverhohlenen Desinteresse der Öffentlichkeit am albernen Gehen auf der einen, von Stillstand und Selbstbezüglichkeit innerhalb der akademischen Community auf der anderen Seite, woran auch das Festhalten des IOC an der gleichnamigen Randsportart nichts Substanzielles änderte.

Seit einiger Zeit aber hat der Entwicklungsprozess im Bereich der absolut lachhaften Gehweisen wieder an Tempo gewonnen. Nicht zuletzt in Deutschland sind die Anstrengungen der Protagonisten überall zu beobachten. Schon ein flüchtiger Blick in die hiesigen Waldgebiete und Stadtparks, auf Flußuferpfade und Seitenstraßen beweist: Albernes Gehen hat Konjunktur.

Auslöser für die Renaissance war das so genannte Walking oder auch Power-Walking, das seinen Siegeszug auf dem gut ausgebauten Weg der Leisure-, Fit- und Wellness-Welle antrat. Obwohl die optischen Signale des Walking mit den spektakulären Pioniertaten aus der Ära Monty Python kaum mithalten können, sieht das Walking respektive Watscheln mit betontem Armeinsatz doch derart albern aus, dass es die praktizierenden Walker selbst nicht zu merken scheinen, um so weniger, da sie beinahe ausschließlich in Gruppen unterwegs sind. Sie ertragen es nicht, eine einzige Sekunde ihrer einfach nur dumm aussehenden Gehweise schweigend hinter sich zu bringen. Außer der Bereitschaft zum pausenlosen Megatalk ist eine eher kastenförmige Körperform mit breiig abgerundeten Ecken Vorbedingung dafür, am kollektiven Walk-Diskurs teilzunehmen.

Als monströse Alternative zum Power Walking und zugleich Shooting Star auf dem Gebiet der Trend-Gangarten hat sich in jüngster Zeit das Nordic-Walking herauskristallisiert, das die Debilitätsgrenze unbekümmert und vollends überschreitet. Dem Nordic-Walking sind die körpereigenen Fortbewegungswerkzeuge nicht gut genug. Zwei – Skistöcken nicht unähnliche – Nordic-Walking-Stöcke sind die Voraussetzung dieses technisch und technologisch ausdifferenzierten Fußkrankheitssymptoms. Dennoch ist es ganz simpel: „Der Fuß wird hinten am Schuh leicht über die Außenkante aufgesetzt, über den ganzen Fuß abgerollt, und es kommt zum Abdruck über den großen Zeh. Der Fuß zeigt gerade nach vorne und steht kaum seitlich nach außen. Der rechte Stock berührt dann den Boden, wenn die linke Ferse aufsetzt und umgekehrt. Der linke Arm ist leicht gebeugt nach vorne gestreckt, der Stock ist etwas nach hinten gewinkelt. Der rechte Arm befindet sich nach Abstoßen des Stocks hinter der Hüfte und ist gestreckt (vgl. auch Anti-Aging, Aqua-Power und Bio Lifting)“.

Obwohl das Alberne Gehen also neuerdings wieder zu den Wachstumsmärkten zu rechnen ist, wird unter Paläoanthropologen immer noch darüber diskutiert, was denn eigentlich die Hominiden in die Senkrechte trieb; der genaue Tathergang liegt nach wie vor im Dunkeln.

Bis der Sachverhalt zweifelsfrei geklärt ist, ringt die Menschheit um Synergieeffekte und die historische Aufarbeitung der Angelegenheit, und das mitten unter uns. Die Bayerische Staatsbad Bad Steben GmbH hat jüngst John Cleese zu einem Referat mit demonstrativer Theorieschulung eingeladen. Ort der Veranstaltung ist der Minigolfparkplatz gegenüber dem Kurzentrum, von wo aus das 26 Kilometer lange ausgeschilderte Nordic-Walking-Wegenetz gut zu erreichen ist. Leihgebühr für Stöcke und Pulsmessuhren je zwei Euro. Na denn, viel Spaß …

DIETRICH ZUR NEDDEN