Prächtig abgesahnt

Die Zeiten für Spielerberater sind härter geworden im Fußball, dennoch gibt es, wie der Fall Kuranyi zeigt, immer noch eine Menge zu verdienen

von RENÉ MARTENS

Andreas Hinkel, 21 Jahre alt und Nationalspieler, spielt seit 11 Jahren beim VfB Stuttgart, wo er Ende November seinen Vertrag verlängert hat. Der Rechtsverteidiger kommt ohne Spielerberater aus. Sebastian Deisler, 23 Jahre alt und ebenfalls Nationalspieler, hatte mit Mönchengladbach und Hertha BSC schon zwei Stationen im Profifußball hinter sich, ehe er im Sommer 2002 zum FC Bayern wechselte. Der Mittelfeldspieler verzichtet ebenfalls auf einen Berater – inzwischen jedenfalls. Mit Norbert Pflippen und Jörg Neubauer hat er in seiner noch nicht allzu langen Karriere schon zwei recht bekannten Agenten den Laufpass gegeben.

Der Vergleich mag ungerecht sein, aber er illustriert gut, dass Spielerberater an einer beständigen Karriere ihrer Klienten wenig interessiert sind. In den Boomjahren des Fußballs haben sie zahlreiche Transfergeschäfte vorangetrieben, von denen allein sie profitierten. Zu den aktuellen Opfern dieser Praktiken gehört der argentinische Offensivkünstler Ariel Ortega: Trotz eines Kontrakts mit Fenerbahce Istanbul, zu dem er sich von einem Berater hatte drängen lassen, will er nicht mehr für den Klub spielen. Die Fifa ließ Ortega wenig erquickliche Wahlmöglichkeiten: Entweder er zahlt Fenerbahce 9,5 Millionen Euro, oder er darf nie wieder in einem Verein gegen den Ball treten.

Der britische Investigativjournalist Tom Bower, der vorher unter anderem Bücher über das Nazi-Gold veröffentlicht hat, ist kein Fußballanhänger, aber die Macht der Spielerberater hat ihn derart irritiert, dass er in diesem Jahr mit „Broken Dreams“ ein Standardwerk vorgelegt hat. Der Autor präsentiert schockierende Indizien dafür, dass der Absturz mancher englischer Traditionsclubs nicht zuletzt Managern anzulasten ist, die Spielerwechsel allein aus einem Grund abwickelten: um ihnen wohl gesinnte Vermittler zu befriedigen.

Ein verheerendes Beispiel gibt der Premier-League-Absteiger FC Sunderland ab. Unter Manager Peter Reid, dessen Amtszeit im letzten Herbst nach sieben Jahren endete, gab der Klub für 66 Spieler 96,5 Millionen Euro aus und erwirtschaftete so eine negative Transferbilanz von 69 Millionen Euro – dagegen verblasst sogar die Kapitalvernichtungsleistung des Hamburger SV, der in der letzten fünf Jahren im Transfergeschäft ein Minus von 25 Millionen Euro machte. Noch einkaufsfreudiger als Sunderland, freilich auf niedrigerem Level, zeigte sich hier zu Lande der SV Waldhof Mannheim. Zwischen 1997 und Mitte 2001 holte man fast 110 Spieler. In diesem Sommer hatte der ehemalige Bundesligist nicht einmal das Geld für die Regionalliga-Lizenz.

Nachdem der Transfermarkt eingebrochen ist, haben sich die Perspektiven für die Vermittler fraglos verschlechtert, weshalb die britische Zeitung The Observer im Frühjahr schon einen Abgesang anstimmte: Im Zuge der Baisse würden 80 Prozent aller Vermittler aus dem Geschäft gedrängt werden, schätzte das Blatt. Doch die Prognose vom Aussterben der Agenten scheint verfrüht gewesen zu sein. Leeds United zahlte im Sommer an den Agenten Bernie Mandic 2,9 Millionen Euro – dafür, dass er den Stürmer Harry Kewell zum FC Liverpool vermittelt hatte. Und die spektakulärsten Personalien dieser Bundesligasaison – die Vertragsunterzeichnungen der Werderaner Ailton und Krstajic bei Schalke – kamen erst zustande, nachdem die beiden Spieler ihre Berater gewechselt hatten.

Manch hiesiger Fußballfan ist nun besorgt darüber, dass zwei der raren Hoffnungsträger des deutschen Fußballs – der Stuttgarter Kevin Kuranyi, der am Donnerstag nach zähen Verhandlungen endlich in Stuttgart verlängerte, und der Bremer Fabian Ernst – bei Roger Wittmanns Agentur Rogon unter Vertrag sind. Die hat nach auffällig vielen guten Geschäften mit dem 1. FC Kaiserslautern, dem Exklub von Wittmanns Schwager Mario Basler, nicht den allerbesten Leumund. An einer gewissen Pfiffigkeit fehlt es den Vermittlern gewiss nicht: Wenn, so eine ihrer Devisen, weniger gewechselt wird, müssen halt gleich mehrere Agenten eine Transaktion abwickeln. Um den brasilianischen Abwehrmann Kleber bis zum Sommer 2004 von Corinthians São Paulo an Hannover 96 auszuleihen, brauchte es vor einigen Wochen gleich 7 Berater.

Um das Treiben der ehrenwerten Herren hierzulande einigermaßen in Bahnen zu lenken, bastelt die DFL seit mehr als einem Jahr an einem so genannten Ehrenkodex. Demnach sollen die Klubs Beratern maximal 10 Prozent vom Jahresgrundgehalt eines Spielers zahlen. Ursprünglich sollte dieser Kodex schon auf der Mitgliederversammlung im August verabschiedet werden. Doch es sei „nun mal nicht einfach, die Vereine dazu zu bringen, sich selbst zu beschränken“, sagt DFL-Sprecher Tom Bender. Ob sich das Thema inzwischen schon wieder erledigt hat, könnte sich im Januar zeigen. Dann findet die nächste turnusmäßige DFL-Versammlung statt.