: Volksbegehren vor dem Ende
Die Initiatoren des Volksbegehrens übergeben 54.000 Unterschriften – 4.000 mehr als nötig. Landeswahlleitung bezweifelt, dass das reicht. Erfahrungsgemäß sind viele ungültig. GEW steigt aus
von Stefan Alberti
Das Volksbegehren-Bündnis zur Abwahl des rot-roten Senats scheitert voraussichtlich schon an der ersten Hürde. Zwar präsentierten die Initiatioren gestern 14 Plastikkörbe mit rund 54.000 Unterschriftenbögen. Somit können sie heute 4.000 mehr übergeben, als für ein Volksbegehren notwendig wären. Nach Erfahrungen der Landeswahlleitung mit früheren Sammlungen sind aber üblicherweise 11 bis 22 Prozent der Unterschriften ungültig. Trifft das auch auf diese Sammlung zu, die noch geprüft werden muss, blieben im besten Fall knapp 48.000. „Wenn 54.000 tatsächlich die aktuelle Zahl ist, dann wird es nach den bisherigen Erfahrungen knapp“, sagte Vizewahlleiter Horst Schmollinger der taz.
Das Bündnis – die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Initiative „Volksbegehren Sozials Berlin“ – hatte sechs Monate Zeit, die nötigen 50.000 gültigen Unterschriften zusammenzubekommen. Das war der erste Schritt des Verfahrens, das in einer Neuwahl des Abgeordnetenhauses enden soll. Schritt zwei wäre das Volksbegehren, das nach jetzigem Stand am 24. Januar beginnen würde. Beteiligen sich dort rund 490.000 Berliner, ein Fünftel der Wahlberechtigten, gäbe es im Juni als dritten Schritt den Volksentscheid.
Die Initiatoren betrachteten ihre Sammelaktion gestern als Erfolg. Ein Volksbegehren aber würden nur zwei von ihnen tragen, die GdP und die Initiative. Die GEW hingegen steigt aus. Ihr Landeschef Ulrich Thöne verspricht sich von einem Volksbegehren keinen Erfolg. Man werde die Mitglieder aufrufen, sich zu beteiligen, die GEW als Organisation aber soll nicht mehr dabei sein. Thöne wehrte sich gegen den Vorwurf, bei denen im Wort zu sein, die durch GEW-Werbung für ein Volksbegehren unterschrieben hätten und weiteres Engagement erwarteten.
GdP-Landeschef Eberhard Schönberg sieht die Opposition jetzt in der Pflicht, für das Volksbegehren zu werben. „Wir haben die Tür aufgestoßen, und andere müssen versuchen, da durchzugehen“, sagte er. Wenn CDU, Grüne und FDP das nicht täten, bräuchten sie 2006 zur Abgeordnetenhauswahl gar nicht anzutreten.
Die Angesprochenen reagierten ablehnend bis zurückhaltend. Zwar sind CDU, Grüne und FDP der Ansicht, jeder Tag weniger mit einem rot-roten Senat wäre ein Gewinn für die Stadt. Die FDP kann aber mit dem Ziel des Bündnisses, von Rot-Rot beschlossene Kürzungen zurückzunehmen, nichts anfangen: Das würde die zartesten Reformen gleich wieder ersticken.
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann reichte es nicht aus, nur von Rücknahme zu sprechen. Man werde sich aber mit den Initiatoren ins Benehmen setzen. Zugleich forderte die Grünen-Fraktion, die notwendigen Unterschriftenlisten „an allen nur möglichen öffentlichen Orten“ auszulegen.
Laut Vizewahlleiter Schmollinger würde es bei einem Volksbegehren rund 90 Anlaufstellen geben, die mindestens zweimal wöchentlich bis 18 Uhr und – gelegentlich – auch am Wochenende geöffnet hätten. Michael Prütz, Sprecher der Initiative „Volksbegehren Soziales Berlin“, nannte 90 viel zu wenig und forderte 400 Sammelstellen.