Berliner Symphoniker sägen privat

Musiker als Unternehmer: Nach der Insolvenz soll das Orchester 2005 als privater Klangkörper weitergeführt werden. Es gibt weniger Geld, aber dafür Mehrarbeit. Risiko: Noch fehlt ein Hauptsponsor für das Modell des ersten deutschen Privatorchesters

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Bei den Berliner Symphonikern liegt wieder Musik in der Luft. Das einstige Landesorchester soll eine zweite Chance erhalten und ab 2005 in privatwirtschaftlicher Regie fortgeführt werden. Am Mittwoch waren die Symphoniker aus dem Vereinsstatus in eine GmbH transferiert worden, gestern stellte deren Vorstand das zukünftige Konzept für das erste große private Orchester in der Stadt vor.

Danach soll mit Hilfe von Sponsoren, Spenden und Freundeskreisen der Klangkörper in einer Stärke von rund 55 Musikern samt einem Chefdirigenten im Wesentlichen weitergeführt werden. Zugleich sollen die Personalkosten gesenkt, die Anzahl der Konzerte sowie die Eintrittspreise erhöht und das Orchester besser vermarktet werden. Die Entscheidung wurde nach Beratungen zwischen dem Orchester, dessen Leitung und dem Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma getroffen, sagte dieser gestern.

Für das Orchester bedeutete dies in der Tat einen Neuanfang, mit dem niemand gerechnet hatte. Nachdem der Senat im Sommer die jährlichen Zuschüsse in Höhe von drei Millionen Euro gestrichen hatte, stand das Orchester trotz massiver Proteste vor der Pleite. Symphoniker-Intendant Jochen Thärichen zog sogar vor das Verwaltungsgericht, um Berlin zu den Subventionen zu zwingen – erfolglos. Auch Kultursenator Thomas Flierl (PDS) war nicht bereit, die Symphoniker als eines der acht Berliner Orchester vor dem finalen Schlussakkord und der Insolvenz zu retten.

Laut Köhler-Ma habe man sich nach ernsthafter Prüfung der Möglichkeiten für das Orchester als private Einrichtung und gegen seine Auflösung entschieden. Das Konzept der neuen Symphoniker-GmbH sehe für das kommende Jahr so aus, dass zunächst alle Beschäftigten erst arbeitslos gemeldet, aber für die laufenden Abonnementkonzerte sowie für zusätzliche Veranstaltungen angestellt und honoriert würden. Ab Mitte/Ende 2005 rechne man damit, wieder Arbeitsverträge anbieten zu können.

Für diese Übergangszeit hätten die Musiker niedrigere Einkommen akzeptiert, betonte Köhler-Ma. „Die Beteiligten wissen, dass keine öffentlichen Mittel mehr kommen. Darum haben sie dem Unternehmensplan und der realistischen Finanzierung zugestimmt.“ Weniger verdienen und mehr arbeiten sei allemal besser als arbeitslos zu werden auf dem Berliner Orchestermarkt.

Nach der Kalkulation des Insolvenzverwalters komme man mit dem Konzept auf weit weniger als den Drei-Millionen-Etat. Köhler-Ma musste aber einräumen, dass die musikalische Zukunft noch auf tönernen Füßen steht. Im kommenden Jahr fehlten noch Mittel in Höhe von 300.000 Euro. Außerdem müsste der Hauptsponsor – in der Dimension Deutsche Bank/Philharmoniker – noch gefunden werden. 2005/6 seien aber bereits Konzerte in Japan, England und der Schweiz geplant.

Orchestervorstand Andreas Moritz freute sich über die abgewendete Pleite und den Neuanfang. Man wisse, dass mit dem privaten Orchesterbetrieb „uns quasi eine Quadratur des Kreises bevorsteht“. Der neue Geschäftsführer kritisierte noch einmal die Senatsentscheidung, sprach sich aber dafür aus, „das neue Modell zu leben“. Es könne beispielgebend für andere gefährdete Orchester werden. „Das ist eine Riesenchance, ein Exempel zu statuieren, wir sind überzeugt, dass wir als erstes Orchester in Deutschland die Privatisierung schaffen.“ In München, wo vor zwei Wochen das Orchester abgewickelt wurde, schaut man jetzt auf die Symphoniker.