Keine Ausrutscher

betr.: „Demokratie in die Kasernen“, taz vom 30. 11. 04

Es ist ein wenig naiv, mehr Demokratie in der Kaserne zu fordern. Die Bundeswehr ist eben keine Abteilung des Technischen Hilfswerks – wie jede Armee bildet sie ihre Soldaten zum Töten aus. Das ist eine unschöne Aufgabe, die nur dann ausgeführt werden kann, wenn Soldaten Befehlen gehorchen und Offiziere weitgehende Kontrolle über ihre Soldaten haben.

Der gesamte militärische Drill ist darauf ausgerichtet, die Individualität des Soldaten zum Teil zu brechen und die Identifizierung mit seiner Truppe zu erhöhen. Natürlich sollte es der Armee im Prinzip egal sein, welchen Haarschnitt ein Soldat hat – aber ein uniformer Haarschnitt ist eben eine Methode, den Soldaten auch äußerlich als Mitglied der Armee zu kennzeichnen.

Uns Armstuhl-Pazifisten mögen solche Rituale lächerlich, peinlich und undemokratisch erscheinen. Aber dann sollten wir konsequenterweise die Abschaffung der Bundeswehr fordern, anstatt unrealistische Reformen. Mörder in Bosnien, Afghanistan oder Darfur lassen sich von fortschrittlichen Konzepten wie „innere Führung“ wenig beeindrucken, aber sind umso aufmerksamer, wenn man ihre Pick-up-Trucks in die Luft sprengt oder anfängt, zurückzuschießen.

Die Herausforderung einer jeden westlichen Armee ist es, Soldaten nicht derart zu deformieren, dass sie jeden auch noch so unmoralischen Befehl gewillt sind, auszuführen. Allerdings sollten die Kritiker der Bundeswehr akzeptieren, dass Demokratie in der Kaserne Grenzen hat und leider auch haben muss.

MARKUS MOBIUS, Cambridge, Massachusetts/USA

betr.: „Struck will Armee durchleuchten“, taz vom 29. 11. 04

Da wird in einer Kaserne im Münsterland der Krieg mal halbwegs realistisch eingeübt, und die Politik regt sich darüber auf? Warum? Ist das nicht Augenwischerei? Ähnliche Aufschreie und Rufe nach „Untersuchung“ gab es bei den Bildern aus Falludscha, wo ein US-amerikanischer Soldat einen wehrlosen Verwundeten vor laufender Kamera ermordet. Oder bei den Bilder aus Abu Ghraib. Als wären all das Einzelfälle und nicht Prinzip! Dabei passieren diese Dinge ständig, nur erreichen uns die Bilder relativ selten.

Wenn Militärexperten nun den empörten Demokraten spielen, hat das einen primären Grund: Es ist der Versuch, davon abzulenken, dass die Kriege im Irak, in Afghanistan, im Kosovo, die von der rot-grünen Regierung gestützt wurden und werden, solche und andere Menschenrechtsverletzungen täglich in Kauf nehmen. Als gäbe es einen „sauberen“ Krieg, saubere Waffen, sauberes Töten …

Konkret: Im Rahmen von „Enduring Freedom“ war die Bundeswehr unter US-Kommando eingebunden in ein Konzept, das sich auch auf Flächenbombardements mit B-52, den Einsatz von 7.000 Kilogramm schweren BLU-Bomben und international geächteten Waffen wie Streubomben und Minen stützte. Man kritisierte nicht, man klagte nicht an, man machte mit.

Wann werden wir endlich erfahren, wie sich das „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr in Afghanistan verhalten hat? Wenn diese „Elitesoldaten“ an vorderster Front Gefangene machten, was taten sie dann mit ihnen? Wenn sie diese den USA übergaben, dürften die Gefangenen in Gunatánamo eine schlimmere Behandlung als in Coesfeld erfahren haben. Ein eindeutiger Verstoß gegen die Genfer Konventionen mit deutscher Mitwirkung! Für die Presse aber nicht interessant: es fehlen die Bilder.

Wer die Bundeswehr wandelt von der Landesverteidigung zur „Verteidigung am Hindukusch“ und „vorbeugenden Militäreinsätzen“, sollte realisieren, dass Ausbildungsmaßnahmen wie die in Coesfeld (Ahlen, Bayern, Niedersachsen …) keine Ausrutscher sind, sondern logische Konsequenz der neuen Politik und realistische Vorbereitung auf bevorstehende Kampfeinsätze.

MARTIN FIRGAU, Münster