: Uneins über „sinnlose Grausamkeit“
Wiederaufnahme der Jagd gegen Ausweisung von Schutzzonen – in Schweden versucht die Walfangkommission mal wieder, die Blockade ihrer Mitglieder aufzulösen
STOCKHOLM taz ■ Das von der Internationalen Walfangkommission IWC 1986 verhängte Walfangverbot könnte nach zwei Jahrzehnten zu Ende gehen. Auf der Ostseeinsel Öland versuchen die 21 Mitgliedsländer in einer nichtöffentlichen Sitzung die Pattsituation aufzulösen. Seit Jahren blockieren sich Befürworter und Gegner des Walfangs gegenseitig, was die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten für Entscheidungen blockiert. Wiederaufnahme der Jagd einerseits, wirksamerer Schutz gefährdeter Walarten durch Walschutzzonen andererseits – die Blockade ist laut Bo Fernholm, schwedischer Zoologieprofessor und IWC-Kommissar, „für die Zukunft der Wale am allermeisten negativ“, weil die IWC „die Kontrolle über den Walfang ganz verloren hat“.
Während Norwegen seit Jahren den IWC-Empfehlungen zuwiderhandelt und kommerziellen Walfang betreibt – mit jährlich ca. 600 Tieren allerdings in relativ kleinem Umfang –, jagen Japan und Island die Tiere unter dem Deckmantel des „wissenschaftlichen Walfangs“. Schon 2003 startete Schweden auf der IWC-Jahrestagung in Berlin einen Vorstoß, der einen begrenzten und von der IWC kontrollierten Walfang in nationalen Hoheitsgewässern vorsah. Neben Ausnahmen für den „kulturellen“ Walfang von Ureinwohnern – wie grönländischen Eskimos – sollte auch ein begrenzter küstennaher Walfang zugelassen werden. Im Gegenzug sollten in den Ozeanen große Verbotszonen eingerichtet und der Walfang besser kontrolliert werden.
Weder dieser schwedische noch ein inhaltlich sehr ähnlicher dänischer Vorschlag fand bislang aber eine Mehrheit. Während verschiedene Staaten – Australien und Großbritannien – das bestehende Walfangmoratorium trotz seiner Schwächen überhaupt nicht in Frage stellen wollen, gehen Fangländern wie Norwegen und Japan die vorgeschlagenen Beschränkungen zu weit. Auf der IWC-Jahrestagung im Sommer 2005 in Südkorea steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Diesmal offenbar besser vorbereitet. Die bis heute andauernde Konferenz in Schweden soll eine konkrete Diskussionsgrundlage erarbeiten.
Walschutzorganisationen wie „Whalewatch“, die über 140 NGO-Gruppen aus 55 Ländern vereint, protestierten gegen das Borgholm-Treffen und die Tatsache, dass überhaupt über ein „Revised Management Scheme“ debattiert werde. Whalewatch-Sprecher Philip Lymbery: „Jedes Walfang-Übereinkommen ist nichts anderes als eine Absegnung völlig sinnloser Grausamkeit.“ Eine Bestandsgefährdung durch den derzeitigen Walfang behaupten auch die meisten Fanggegner nicht. Sie betonen vielmehr ethische Gesichtspunkte, die nach ihrer Meinung eine Jagd verbieten.
Norwegen und Japan fordern dagegen das Recht, die biologischen Ressourcen ihrer Meeresgewässer nutzen zu dürfen. Einig sind sich beide Gruppen prinzipiell darüber, dass der Bestand vieler Walarten derzeit vor allem durch Umwelteinflüsse bedroht ist. Durch Meeresverschmutzung, wegen Klimaveränderungen und nicht zuletzt durch die Schleppnetze der Fischtrawler sterben vielfach mehr als die derzeit jährlich rund 2.500 offiziell harpunierten Großwale.
Innerhalb des IWC an der bisherigen Linie festzuhalten könnte nach Befürchtung auch vieler walfangkritischer Regierungen neben der jetzt schon verlorenen Kontrolle über den Walfang zur Gefahr von Zufallsmehrheiten führen. Beide Lager haben in den letzten Jahren versucht, ihre Fraktionen mit neu geworbenen IWC-Mitgliedsländern zu stärken. Japan und Norwegen waren dabei zuletzt wesentlich erfolgreicher als die Walfanggegner.
REINHARD WOLFF