Liebe im Phantomtourismus

TAIWAN „Ghosted“ von der Hamburger Filmemacherin Monika Treut ist die erste deutsch-taiwanische Koproduktion: eine Liebesgeschichte, die hinter einem viel bedeutenden „Ghosted“ verschwindet

VON SUSANNE MESSMER

Die Liebesgeschichte ist zauberhaft: Ai-ling, eine zarte, schüchterne Frau aus Taiwan, reist zu ihrem Onkel, einem Restaurantbesitzer in Hamburg, um dort mehr über ihren früh verstorbenen Vater zu erfahren. Bei einem Kinobesuch lernt sie die selbstbewusste, viel rauchende Videokünstlerin Sophie kennen – eine perfekte Rolle für die herbschöne Inga Busch. Die beiden verlieben sich, Sophie hält pausenlos die Kamera auf ihre reizende, chinesische Freundin, und erst ganz langsam sickern kulturelle Differenzen durch, denn Sophie ist nach westlicher Manier ein unabhängiger Geist, der manchmal auch Verabredungen mit der Liebsten vergisst, während Ai-ling täglich mit ihrer Mutter telefoniert und nichts Schlimmes daran findet, immer nur mit Sophie abzuhängen und auszugehen.

Aber plötzlich ist Ai-ling tot. Fünf Monate später stellt Sophie in Taipeh ihre neue Arbeit „Remembrance“ aus – die traumhaft schönen Bilder, die damals entstanden sind, verhandeln die Erinnerung Sophies an Ai-ling, die Deutsche ist in der Fremde auf Spurensuche, und sie sucht dabei vor allem nach einer Antwort auf die Frage, ob sie Ai-ling genug geliebt hat. Sophie kommt zum ersten Mal mit fernöstlichem Geisterglauben und der dort traditionellen Ahnenverehrung in Berührung: Mit der Angst vieler Chinesen, den Vorfahren nicht genug gegeben zu haben. Außerdem lernt sie in Taipeh die mysteriöse Journalistin Mei-li kennen, die sich auf sehr befremdliche Art und Weise für Sophies Liebesgeschichte zu interessieren beginnt. Die Grenzen zwischen Leben und Tod, westlichem und östlichem Denken, Wahrheit und Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart flimmern immer mehr.

„Ghosted“ ist die erste deutsch-taiwanische Koproduktion überhaupt – trotz schwierigen finanziellen Hintergrunds auf die Beine gestellt von der feministischen Hamburger Filmemacherin Monika Treut, die bislang vor allem durch ihre Dokumentarfilme über Transgender, Bondage oder SM bekannt geworden ist. Doch während diese Filme über Annie Sprinkle, Camille Paglia oder die adlige Schauspielerin, Domina und Universitätsdozentin Eva Norvind aka Mistress Ava Taurel aka Eva Johanne Chegodaieva Sakonskaya mit viel Leichtigkeit, Humor und genauer Beobachtung glänzten, bleibt „Ghosted“, der erste lange Spielfilm Monika Treuts seit achtzehn Jahren, trotz mancher charmanter Nahaufnahmen und guter Besetzung auch auf taiwanischer Seite seltsam lustlos und ungefähr.

Da ist zum Ersten die unnötig knifflige Parallelmontage, immer wieder werden mäandernde Match-Cuts und andere bemüht elliptisch wirkende Blenden wie Zaunpfähle geschwungen, um überdeutlich auf das interessante Motiv der Diskontinuität von Raum und Zeit und dem der Geister, Gespenster und Phantome als radikalste Formen der Abwesenheit im Anwesenden zu annoncieren. Über manchen Szenen liegt eine schauerliche Filmmusik, die fatal an „Creative Sound Solutions“ der Firma Sonoton für preiswerte TV-Produktionen erinnern. Und die Bilder vom Hamburger Hafen bei Sonnenuntergang sind ebenso touristisch und klischeehaft wie die vom bizarren chinesischen Essen auf dem Nachtmarkt, vom bunten Drachentanz und Feuerwerk in Taipeh bei Sophies erster Stadtrundfahrt und verweisen allzu vernehmlich auf das Problem der kulturellen Differenz – ein Stilmittel, wie es Monika Treut in ihren Dokumentarfilmen bislang vermieden hat.

Diese Kunstfertigkeit nämlich ist es, die den Kern der Geschichte, die Liebesgeschichte zwischen Ai-ling und Sophie, verspielt. Warum verlieben sich die beiden? Warum strahlt Sophie so viel Ruhe aus, während Ai-ling weder zu wissen scheint, wohin sie will, noch, wie sie ihr Liebeskonzept vertreten soll? Für all das bekommt man, ohne es unbedingt haarklein erklärt bekommen zu wollen, nicht das leiseste Gefühl.

■ „Ghosted“. Regie: Monika Treut. Mit Inga Busch, Huan-Ru Ke u. a. Deutschland/Taiwan 2009, 89 Min.