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Archiv-Artikel

Es geht noch schlechter als Hertha

Mit 68 Gegentoren steht der FC Lübars ganz unten in der Kreisliga B. Zuletzt setzte es ein 0:11 gegen Sparta Lichtenberg. Nun hat keiner mehr Lust. Dabei hat Berlins schlechteste Mannschaft in der letzten Saison noch oben mitgespielt

Abstiegskampf. Es geht ums Überleben. Die Spieler verkrampfen. Es setzt Niederlagen gegen schwächer eingeschätzte Gegner. Die Niederlagen werden höher und höher. Trauriger Höhepunkt ist ein 0:11 zu Hause gegen die Reserve von Sparta Lichtenberg, wahrlich keine Übermannschaft. Nein, es ist nicht die Saison der 2. Mannschaft des FC Lübars. Die spielt in der Kreisliga B. Mit 68 Gegentoren steht sie ganz hinten in der Tabelle.

Elf Freunde haben sich zum Training in der Schluchseestraße hinter dem Märkischen Viertel eingefunden. Nicht gerade viel. Denn die zweite Mannschaft trainiert zusammen mit der Elite des Vereins, die in der Bezirksliga kickt. Der Trainingehrgeiz hält sich in Grenzen. Olaf Reinecke, der Trainer, fragt sich jedes Mal: „Wie viele werden wohl heute kommen?“

Zu Saisonbeginn umfasste der Kader der beiden Teams zusammen 36 Spieler. Davon sind derzeit 10 verletzt, andere haben ganz aufgehört, haben sich beruflich verändert, ein Kind bekommen und einfach keine Zeit oder Lust mehr, sich dreimal die Woche zum Training auf dem Kunstrasenplatz einzufinden.

Die Lust haben auch die Spieler, die noch kommen, schon lange verloren. Der dritte Vorsitzende des FC Lübars, eigentlich ein Feldspieler, hat sich, weil der Torwart in der ersten Mannschaft gebraucht wurde, überreden lassen, den Keeper zu geben. 68-mal in 15 Spielen hinter sich greifen zu müssen geht ganz schön auf die Nerven: „Natürlich denkt man ans Aufhören. Eigentlich spielen wir doch Fußball, weil es Spaß machen soll“, sagt er und fügt achselzuckend hinzu: „Aber so?“

Der Trainer sitzt neben ihm in der Umkleidekabine, und es ist nicht ganz klar, ob er denkt, was er nun sagt, oder ob er nur versucht, seine Spieler zu motivieren: „Wir hatten einfach auch viel Pech. Eigentlich ist nämlich keine Mannschaft prinzipiell besser als unsere.“ In der Tat haben die Lübarser in der vergangenen Saison oben mitgespielt. Schnee von gestern.

Auch der Trainer gibt zu, dass er bisweilen am Verzweifeln ist. Reinecke ist ein Berliner Fußball-Urgestein. Zu den Glanzzeiten des Vereins hat er mit dem FC Lübars in der Oberliga gespielt. Jetzt ist er Mädchen für alles bei seinem Heimatverein. Er nimmt die Probleme in der Mannschaft ernst, zu ernst manchmal. „Meine Freundin hat mich deshalb verlassen“, witzelt er.

Derzeit gehört Telefonieren zu seinen Hauptaufgaben. Er fragt, ob ein ehemaliger Spieler nicht wieder Lust hat, mitzumachen. Einmal hat ein Kicker aus der Altherrenmannschaft ausgeholfen. Sogar der Vereinsboss, erzählt der Trainer mit der eindrucksvollen Nackenmatte, habe noch mal die Fußballschuhe geschnürt. Denn es ist nicht leicht, jedes Wochenende elf Männer zusammenzutrommeln.

Auch wenn die Zweite des FC Lübars in der Tabelle besser stünde, wäre es nicht leicht, die Spieler zu motivieren. Fußball in der Kreisliga B ist eine Sache für absolute Freaks. Das fußballerische Niveau ist nicht allzu hoch, oft spielen hier Fußballer, „die den Höhepunkt ihrer Karriere bereits hinter sich haben“ (Reinecke). Die kommen oft nur unregelmäßig zu Training, sind dementsprechend körperlich unzureichend vorbereitet und verletzen sich oft.

Zudem haben sich die Kreisligisten mit unerfahrenen Mannschaften herumzuschlagen, die doch recht unbeherrscht zu Werke gehen. Die Lübarser spielen mit einer dieser Mannschaften in der Gruppe. Phönix Ayyildiz hat in dieser Saison das Unvorstellbare vollbracht und ist als Kreisligist ganz groß in der Berliner Boulevardpresse herausgekommen. Das lag nicht an den spielerischen Fähigkeiten des Teams, sondern an den Schlägereien mit Schiedsrichter und Gegnern, die von den Spielern des Clubs angezettelt wurden. Fußball in der Kreisliga kann eine ziemlich unangenehme Angelegenheit sein.

Das Spiel gegen den Skandalclub, der mittlerweile vom Spielbetrieb suspendiert wurde, konnte immerhin gewonnen werden. So schlägt wenigstens ein Sieg zu Buche. Mannschaftskapitän Venz will erst mal gar nichts sagen zur Situation der Lübarser: „Was soll das werden“, fragt er, „die schlechteste Mannschaft Berlins stellt sich vor, oder was?“ ANDREAS RÜTTENAUER