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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Auch nach dem EU-Gipfel-Absturz brauchen wir ein funktionierendes Europa. Und wenn dies nur mit Kerneuropa geht, dann ist das eben so. Und in 150 Jahren ist Günter Verheugen vielleicht eine, na ja, historisch wichtige Figur

Von SR

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Nichts. Die Nationalspieler kiffen, die Nationalspielerinnen kriegen Angebote aus der italienischen Männerliga – läuft sehr schön.

Was wird besser in dieser?

Berlusconi erhöht das Transferangebot für Angela Merkel.

Die USA haben Saddam Hussein verhaftet. Und jetzt?

Wir werden leider nie wissen, ob der Sturz von Saddam auch ohne Krieg möglich gewesen wäre – einen Krieg, der die Region destablisiert und tausende Tote gekostet hat. Jetzt werden wir ein triumphales Rechtfertigungsfeuerwerk der USA erleben. Wenn man nach Guantánamo guckt, muss man Saddam nicht richtig lieb haben, um sich Sorgen zu machen.

Selten gab es so viele TV-Kameras bei einem Vermittlungsausschuss wie am Wochenende. Halbstündlich kamen Politiker heraus, um zu klagen, dass die anderen schuld sind. Ist das der Aufklärung dienlich? Oder verhindert die mediale Dauerpräsenz die Sacharbeit?

Ach, das ist doch Gimme-that-old-Staatsbürgerkunde-Feeling ; endlich bekommen wir mal wieder ’ne schicke Verfassungsinstanz haarklein erklärt. Letztes mal war es das Genörgel, die Kohlisten missbrauchten das Bundesverfassungsgericht als Ersatzregierung; auch das traf langfristig nicht zu. In ein paar Jahren wird man von dieser Phase als einer eher glücklichen Konstellation sprechen: Mehr als ein Dutzend Wahlen vor der Tür; die Opposition blockiert sich selbst so sehr wie die Regierung, und für alle zusammen gibt es nur ein Heil – irgendwas zu verbessern.

Die EU-Verfassung ist erst mal gescheitert. Das europäische Prinzip lautete bislang: Eigentlich geht es nicht, aber in irgendeiner Nachtsitzung gibt es trotzdem immer irgendeine Lösung. Ist dieses Prinzip an sein Ende gekommen?

„Irgendeine Lösung“ hieß bisher meist: Man kaufte über einen unbegreiflichen Landwirtschaftstopf oder so den Zweiflern die Stimmen ab und verkaufte das anschließend als idealistischen Kompromiss. So viel Geld für so viel neu zu kaufende Mitglieder hat keiner. Dies vorausahnend, hat Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker letzte Woche bereits den Plan von „Kerneuropa“ wieder etwas freundlicher bewertet.

Also ist Kerneuropa die Zukunft der EU?

Sieht erst mal so aus. Der europäische Prozess ist historisch unaufhaltsam – und sinnvoll. Europa braucht, wenn es auf Globalisierung antworten will, wenn es soziale und bürgerrechtliche Standards durchsetzen will, politische Ordnungsinstrumente. Dass die Polen nun rumzicken oder die Briten sich noch mal 400 Jahre mit einer Weltmacht verwechseln – daran darf Europa nicht scheitern.

In Deutschland scheint die Zustimmung zur EU rapide zu sinken. Die europäische Einigung als Instrument zur Kriegsverhinderung nach 1945, das verschwindet. Was tun?

Historisch denken. Was wir heute über das erste deutsche Parlament in der Paulskirche lesen, mag in 150 Jahren verdrängt werden von ähnlich verklärter Sicht auf – na ja, Günter Verheugen. Europa ist auch deshalb ein fortschrittliches Ziel, weil die Wirtschaft längst in einem noch größeren Raum operiert, ohne dass es einen annähernd so gut aufgestellten Gesetzgeber gäbe.

Am Montag beginnt die Tarifrunde mit der IG Metall. Was sollen die Metaller fordern?

Dass der Gesetzgeber sich aus der Tarifautonomie raushält.

Die katholische Kirche hat eine neues Sozialwort veröffentlicht: Weniger Wohlfahrtsstaat, mehr Eigenverantwortung, mehr Geld für die wirklich Armen, so das Ziel. Ist das neoliberal?

Nein, das ist ein Superprogramm zur Demokratisierung der römischen Großsekte: mehr Eigenverantwortung für Kirchenmitglieder, Verzicht auf Zwangskirchensteuer, weniger kirchenstaatliche Bevormundung zum Beispiel der Frauen – grandios. Steht schon in der Schrift, dass man mit dem guten Werk stets bei sich selbst beginnen soll.

Und was, wenn der Papst das liest?

Die Gefahr besteht biologisch kaum mehr.

Heute wird vielleicht der wegen des 11. 9. verurteilte Islamist Motassadeq freigelassen – wegen einer anonymen Aussage von einem wohl in den USA befindlichen Al-Qaida -Kämpfer. Ein Beispiel für einen funktionierenden Rechtsstaat – oder?

Als guter Deutscher würde man natürlich gern irgendwie trotzdem losnörgeln, aber – ja. Keine ausreichenden Beweise – freilassen.

Edmund Stoiber glaubt, dass Sebastian Deisler nie wieder für Bayern München spielen wird. SPD und Grüne werfen ihm Herzlosigkeit vor. Zu Recht?

Wieso? Ich wünsche Deisler auch, dass er nie mehr für die spielen muss.

Und was macht Borussia Dortmund?

Wahrt alle Chancen, doch noch in den Kampf ums Tabellenende eingreifen zu können.

FRAGEN: SR