: Der Guerillakampf im Irak geht weiter
Trotz der Verhaftung Saddams glaubt selbst die US-Führung nicht an ein Ende der Gewalt im Irak. Ehemalige Militärs haben andere Motive für ihren Krieg gegen die Besatzer
KAIRO taz ■ Es ist zweifelsohne ein wichtiger symbolischer Sieg der Amerikaner im Irak. Acht Monate nach dem Fall seiner Statue ist nun Saddam Hussein selbst in Gewahrsam der USA. Bisher schwebte über allem im Irak der Geist Saddam Husseins, sowohl für die Amerikaner als auch für die irakische Bevölkerung. Damit ist es nun endgültig vorbei.
Das Mantra aus Washington lautete bisher: Hinter der irakischen Guerilla stecken die Übererste des alten Regimes. Und es ist die ehemalige alte Staatsführung und an der Spitze Saddam, die im Hintergrund waltet und schaltet. „Die Verhaftung Saddams ist eine Gelegenheit für die Vertreter des alten Regimes, ihre Waffen niederzulegen und sich am Wiederaufbau des Landes zu beteiligen“, erklärte der US-Verwalter des Irak Paul Bremer, als die Festnahme Saddams in einer Pressekonferenz in Bagdad gestern bestätigt wurde.
Die US-Version von den Überresten des alten Regimes als Rückrat der Guerilla steht nun erstmals auf dem Prüfstand. Werden die militanten Operationen gegen die Besatzung schwächer? Wird sich die offizielle amerikanische Sicht bestätigen? Möglich ist aber auch das Gegenteil. Wenige Stunden nach Verbreitung der Nachricht von Saddams Verhaftung beschreiben arabische Kommentatoren ein anderes Szenario. Die Angriffe auf die Amerikaner könnten zunehmen, weil die Guerilla gerade jetzt den Beweis antreten muss, dass sie nicht aus Loyalität zum Diktator a. D. agiert, sondern aus nationalistischen oder religiösen Prinzipien. Manche gehen sogar so weit zu argumentieren, dass Saddams Verhaftung für die Guerilla eine Art Befreiungsschlag darstellt. „Der Großteil der Iraker wollte nichts mit dem Widerstand zu tun haben, weil sie in keinster Weise mit dem alten Regime in Verbindung gebracht werden wollen. Das kann sich jetzt ändern“, sagt der irakische Politologe Safer al-Aani.
Im US-Pentagon regen sich seit Wochen Zweifel an der Version, dass eine Verhaftung Saddams und der anderen 54 gesuchten „Spielkarten“, der obersten Baath-Parteiführung tatsächlich zu einem Ende der Angriffe führen könnte. Der US-Kommandeur im Irak, Ricardo Sánchez, erklärte gestern, dass er nicht ein Ende der Angriffe erwarte. „Wir sind unserem Ziel näher gekommen, ein sicheres Irak zu schaffen“, erklärte er vorsichtig. Eine Ausschaltung von Saddam und dessen engem Kreis, heißt es inzwischen im US-Verteidigungsministerium, wird allein nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Tatsächlich hatten sich die Gegenoffensiven der Amerikaner in den vergangenen Wochen mehr auf das mittlere Baath-Management konzentriert. US-Außenminister Colin Powell hatte sogar unlängst erklärt, dass er nicht denke, dass Saddam Hussein die Anschläge koordiniere. Die meisten Iraker haben das ohnehin nie geglaubt. „Saddam ist zu sehr mit seiner Flucht beschäftigt, als dass er Fäden zieht, die am Ende leicht zu ihm führen könnten“, hieß es oft.
Die Angriffe auf die US-Amerikaner gehen auf eine Mischung aus Saddam-Loyalisten, Islamisten, arabischen Nationalisten, und auf den Widerstand der Stämme zurück, die sich in ihren Traditionen bedroht fühlen. Oft spielt auch Blutrache und die Begleichung privater offener Rechnungen mit den Besatzern eine Rolle.
„Die unkontrollierte Auflösung der regulären Armee war der größte Fehler der Amerikaner“, sagen viele Iraker. Und selbst innerhalb der US-Führung wird dieser Fehler eingeräumt. Die Guerilla rekrutiert sich hauptsächlich aus ehemaligen Militärs. Dass es einst im Sold Saddam Husseins stand, ist nur bedingt aussagekräftig. Ehemalige hohe Ränge des irakischen Militärs können es sich heute aussuchen, mit welchem Motiv sie gegen die Amerikaner ins Feld ziehen. Als Verteidiger ihrer Heimat mit den Nationalisten, als heilige Krieger mit den Islamisten oder in einer Blutsfehde mit dem eigenen Stamm. Nur für Saddam werden sie nicht mehr kämpfen. KARIM EL-GAWHARY