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Archiv-Artikel

Bluten, kotzen, töten

Mit David Gieselmanns „Herr Kolpert“ hat Regisseurin Katja Lauken weitgehend sinnfreiesGemetzel auf die Bühne des Aachener Theaters gehievt. Schon der Plot wirkt seltsam antiquiert

In einem von Hartz IV gebeutelten Land wirkt schon der Plot seltsam antiquiert

VON STEFANIE TYROLLER

Ein Yuppie-Pärchen lädt ein anderes zu sich nach Hause zum Essen ein. Die erste eigenhändig ermordete Leiche haben sie vorsorglich im Schrank versteckt, denn die Gäste sollen nur häppchenweise in dieses aufregende Geheimnis eingeweiht werden. Dass der unterhaltsam geplante Abend mit Bestell-Pizza und Ratespielen langsam aus der Spur gerät, am Ende zwei Tote mehr und jede Menge Blut und Kotze das Wohnzimmer garnieren, haben die Gastgeber, so scheint es, locker mit einkalkuliert.

Einen kleinen Welterfolg hat sich der gebürtige Kölner David Gieselmann, Jahrgang 1972, mit seiner schwarzen Komödie „Herr Kolpert“ erschrieben. Das in eine wilde, bluttrünstige Farce ausartende Krimi-Konversationsstück im Stil von Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“ entstand im Jahr 2000 während einer Dramatikerwerkstatt am Royal Court Theatre in London. An dieser renommierten Adresse für zeitgenössisches Theater wurde es auch prompt uraufgeführt und seitdem über Warschau bis nach Sydney exportiert.

Die Inszenierung im Aachener „mörgens“ kann den Welterfolg allerdings nicht recht plausibel machen, was jedoch nicht allein der Inszenierung anzulasten ist. In einem von Harzt IV gebeutelten Land wirkt schon der Plot eines aus Langeweile mordenden Luxus-Pärchens seltsam antiquiert. In einer Zeit, da selbst die FDP die selbstreferentielle Spaßgesellschaft ad acta gelegt hat, braucht es gute Gründe, Figuren ohne Werte auf die Bühne zu hieven, deren Darstellung auf völlig erklärungsfreiem, blut- und kotzetriefenden Situations-Happening beruht.

Die spielfreudige Unterhaltungsschiene flotter Dialoge und makabren Humors wiederum, die das Stück in guter angelsächsischer Tradition bedienen will, verlangt Regie und Schauspielern eine leichthändige Virtuosität ab, die der Aachener Inszenierung nur eingeschränkt gelingt. Während das Mörderpärchen Ralf (Jan Viethen) und Sarah (Angela Eickhoff) sprachlich öfters über den witzig-flotten Dialog-Abtausch stolpert, und Bastian (Dennis Pöpping) die unvermittelten Brüche zwischen freundlichem Geplauder und cholerischen Ausrastern in Kleinkindmanier nicht immer sauber meistert, ist Nathalie Schott in der Rolle der Edith eine wahre Augen- und Ohrenweide. Gewitzt nutzt sie die derangierte Situation einer verkorksten Pizzabestellung, um den Boten mit Tiramisu zu verführen, eignet sich als Nicht-Trinkerin souverän halbvolle Gläser und schließlich die ganze Cognac-Flasche an, zerteilt enthemmt und mit umflortem Blick ihre Pizza mit der Axt. Das zuvor eingeschüchterte Blondchen tingelt voller Glück durch die immer hemmungslosere Gesellschaft, und emanzipiert sich schließlich von ihrer Naiven-Rolle durch eine köstlich dargebotene Folterphantasie, die sie am Ende mit dem Mord an dem Pizza-Boten krönt.

So viel sinnfreien Splatterfantasien einen guten Abschluss zu geben, ist ein Kunstwerk. Nach David Gieselmann sollen die übriggebliebenen Figuren sich nackt ausziehen und weinen. Auch Regisseurin Katja Lauken ist kein wirklich besserer Schlusse eingefallen.

4., 12., 19., 22. 12, je 20:00 UhrTheater Aachen, mörgensKarten: 0241-4784244