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Archiv-Artikel

Mutter Benario

Gegen das antikommunistische Ressentiment: der Dokumentarfilm „Olga Benario“

Ein Film über eine Kommunistin, eine Revolutionärin, eine Mutter. Ein Opfer der Nazis. Eine Ikone. Es gibt in Berlin eine Galerie Olga Benario, es gibt dutzende Straßen, die nach ihr benannt worden sind, einen Filmclub, einen Verlag, ja sogar relativ schicke Bars in Ostdeutschland heißen Olga Benario.

Im Westen dagegen ist sie weitgehend unbekannt. Olga Benario wurde 1908 in München geboren. Sehr jung wird sie Kommunistin und zieht nach Berlin. Ihren Lebensgefährten, den Genossen Otto Braun, befreit sie 1928 mit Waffengewalt aus dem Gefängnis. Braun und Benario fliehen in die Sowjetunion. Benario erhält von der Kommunistischen Internationalen Geheimaufträge, die sie nach Paris und Großbritannien führen. Dort wird sie verhaftet, jedoch bald wieder freigelassen. Schließlich schickt sie Moskau an der Seite des Brasilianers Luiz Carlos Prestes nach Brasilien, um dort die Revolution voranzutreiben. Prestes selbst war ein Mythos in Lateinamerika, da es ihm und einem aufständischen Häuflein gelang, mit einem sich über tausende von Kilometern erstreckenden Fußmarsch den Regierungstruppen zu entkommen. Doch die Revolution wird 1936 bereits nach einem Tag niedergeschlagen, Benario wird verhaftet, nach Deutschland ausgeliefert, dort gebiert sie im Gefängnis eine Tochter. Prestes, der in Brasilien internierte Vater, wird das Kind erst 1945 zu Gesicht bekommen. Ein Internationales Komitee, erreicht es, dass die Tochter nicht zur Adoption freigegeben wird. Benario selbst jedoch können sie nicht aus der Haft befreien. 1942 wird sie in der so genannten „Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg in der Gaskammer ermordet.

All diese Fakten erzählt der Film „Olga Benario – Ein Leben für die Revolution“. Zwar handelt es sich um einen Dokumentarfilm, doch kam der Regisseur Galip Iyitanir nicht umhin, einige Filmszenen zu drehen. So beginnt der Film gleich mit einem Knall – die Befreiung Otto Brauns wird nachgespielt, Revolver, Revolutionäre, tumbe Polizisten, eine Flucht durchs Treppenhaus. Später wird man dann noch einige nachgestellte Szenen sehen, etwa von der mit ihrem Kind im Gefängnis spielenden Benario. Die politisch aktive Benario sehen wir nicht, erfahren nicht, welche Aufträge sie nach Paris und London geführt haben. Immerhin werden die Ereignisse in Brasilien recht ausführlich geschildert.

Der Film hat allerdings zu viel Revolutionspathos. Das dramatische Abfilmen des Schornsteines in Bernburg am Ende des Filmes ist eher geschmacklos. Warum werden nicht solche kommunistischen Agentinnen wie Ruth Werner (die übrigens eine Biografie der Benario verfasst hat) Gegenstand solcher Revolutionsfilme, sondern nur diejenigen, die den Naziterror nicht überlebt haben? Vielleicht weil sie besser zur Ikone taugen. Der Film muss die Frau als sinnliche Liebhaberin und gute Mutter beschreiben, etwas, was sich eine Kommunistin verbitten müsste, da das nicht Gegenstand ihrer politischen Biografie ist.

Allerdings macht der Film auf diese Geschichte aufmerksam. Die Welt schrieb: „Ihr grausiges Schicksal (sie wurde 1942 vergast) hat Benario zynischerweise davor bewahrt, nach dem Kriege als graue DDR-Funktionärin den eigenen Nachruhm zu schänden.“ Diesem ekligen antikommunistischen Ressentiment gilt es entgegenzutreten. Das tut der Film. JÖRG SUNDERMEIER

„Olga Benario – Ein Leben für die Revolution“, Regie: Galip Iyitanir.Mit Margrit Sartorius, Michael Putschli u. a., Deutschland/Österreich 2004, 127 Min.