Kein Hurra nach Berliner Reformentscheidung

Während Politiker die Einigung im Vermittlungsausschuss abfeiern, sprechen Gewerkschafter von „herbem Schlag“

DÜSSELDORF taz ■ Politiker feiern sich, Gewerkschaften und Wirtschaftsforscher sind enttäuscht. In NRW fallen die Reaktionen auf die Einigung im Berliner Vermittlungsausschuss uneinheitlich aus. Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und Oppositionschef Jürgen Rüttgers (CDU) sprachen von „einem guten Tag“. Die Gewerkschaft Ver.di bezeichnet die Aufweichung des Kündigungsschutzes als „herben Schlag“. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) kritisierte die schwach ausfallende Steuerentlastung: „Die Impulse sind nicht so stark, wie erwartet“.

Bundesregierung und Opposition hatten sich in der Nacht zum Montag auf eine Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von 15 Milliarden Euro geeinigt. „Das ist ein guter Tag für die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen“, lobte CDU-Fraktionschef Rüttgers das Verhandlungsergebnis. Der Kompromiss trage die deutliche Handschrift der CDU. Ewald Groth, kommunalpolitischer Sprecher der NRW-Grünen, bemängelte die fehlende Entlastung der Städte und Gemeinden. „Die Absenkung der Gewerbesteuerumlage reicht nicht aus, um die Finanznöte der Kommunen zu lösen“, so Groth. Es sei bedauerlich, dass die Gewerbesteuer nicht auf Freiberufler ausgedehnt werde. Groth forderte zudem eine konjunkturabhängige Gewerbesteuer. Ministerpräsident Steinbrück sprach dagegen von einem Erfolg, hätte aber gern noch mehr Subventionen gekürzt.

Die Gewerkschaften kritisierten die Neuregelung beim Kündigungsschutz. Die Parteien hatten sich darauf verständigt, den gesetzlichen Schutz künftig nur noch für Betriebe ab mindestens zehn statt bisher fünf Beschäftigten zu gewähren. „Das ist ein herber Schlag“, sagte Günter Isemeyer von Ver.di NRW. Nun hätten fünf Millionen Menschen keinen Kündigungsschutz mehr. NRW-Arbeitsminister und Vermittlungsausschuss-Mitglied Harald Schartau (SPD) konnte sich in diesem Punkt nicht durchsetzen. Schartau hatte angeregt, die Schwelle der Mitarbeiterzahl, ab der der Kündigungsschutz gilt, abzuschaffen und statt dessen die Dauer der Betriebszugehörigkeit zum Maßstab zu nehmen.

Der Einsatz der Landesregierung für den Erhalt der Tarifautonomie war dagegen erfolgreich. „Für den Einsatz sind wir dankbar“, sagte Isemeyer. Trotz immer neuer Vorstösse der CDU sei die SPD hart geblieben, lobte der Gewerkschafter. „Besonders Harald Schartau hat hier klare Kante gezeigt.“ MARTIN TEIGELER