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Archiv-Artikel

Wer will schon den Jugendknast?

LIEGENSCHAFTEN Susanne Engelbertz ist für 40 Quadratzentimeter-Grundstücke und große Immobilien zuständig. Ein Gespräch über das städtische Immobilien-Biz

Herrin über 2.200 Gebäude

Der Stadt Bremen gehören 2.200 Gebäude mit einer Bruttogrundfläche von insgesamt 2,4 Millionen Quadratmetern. Dazu kommen 21 Quadratkilometer Grundstücksflächen. Damit ist die Kommune – vor der Siedentopf GmbH, die derzeit unter anderem das „Kaffee Quartier“ entwickelt – die größte Immobilienbesitzerin vor Ort. Susanne Engelbertz, gelernte Stadtplanerin, ist die zuständige Abteilungsleiterin bei „Immobilien Bremen“. Im aktuellen Verkaufs-Angebot sind 30 Objekte, unter ihnen das Vegesacker Ortsamt und das Rathaus Hemelingen. HB

Interview: Henning Bleyl

taz: Frau Engelbertz, früher wurden die Liegenschaften im Finanzressort verwaltet, dann die GBI gegründet, seit Anfang des Jahres sind GBI und die „Gebäude-Technikmanagement Bremen“ (GTM) zur „Immobilien Bremen“ verschmolzen. Ist das organisatorisch jetzt der Weisheit letzter Schluss?

Susanne Engelbertz: Letzte Weisheiten gibt es in diesem Bereich nicht. Jetzt gilt: alles aus einer Hand. Dafür haben wir 1.000 Mitarbeiter, 800 davon sind die früher zur GTM gehörenden Reinigungskräfte sowie Hausmeister, die zuvor den einzelnen Ressorts zugeordnet waren.

Durch Ihre Hände gehen derzeit 25 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung. Werden die allesamt sinnvoll verbaut?

Natürlich! Alle von uns eingereichten Sanierungsmaßnahmen sind dringend notwendig.

Im Vorfeld gab es heftiges, lobbyistisches Gerangel.

Ich kann für den Part der „Immobilien Bremen“ nur sagen: Das ist fachlich alles richtig. Allerdings bedeutet das Konjunkturpaket auch sehr viel mehr Arbeit. Zur Bewältigung haben wir lediglich fünf befristete Projektleitungsstellen.

Gleichzeitig ist Ihre Aufgabe, nicht mehr benötigte Gebäude zu vermarkten. Wie bringt man zum Beispiel ein ehemaliges Gefängnis an den Mann?

Angesichts der schlechten Verkehrsanbindung ist es sehr schwierig, ein solches Gebäude überhaupt anzubieten. Zusammen mit dem Bau- und Sozialressort haben wir Verschiedenes angedacht, auch die kurzzeitige Vermietung für Events. Grundsätzlich hoffen wir, dass man aus der Mischung von Wohnung und Werksituation etwas machen kann. Aber letztlich wird es wohl auf eine gewerbliche Lösung hinaus laufen.

Wie ist insgesamt Ihre Leerstandsquote?

Ich will es so sagen: Rechnet man die JVA heraus, haben wir weniger Leerstand als die etwa drei Prozent, die der private Büroflächenmarkt aufweist. Doch die JVA verzerrt die Quote völlig.

Vielleicht hat ja Herr Rieger Interesse. Die Strategie der NPD, mit Dreieck-Deals auf dem Immobilienmarkt Geld zu verdienen, ist vor allem in Norddeutschland zu beobachten. Wie wappnen Sie sich vor solchen Scheingeschäften?

Wir haben die Gleichberechtigung in der Vergabe, deswegen muss man sich mit dem Höchstgebot auseinander setzen. Andererseits kann die Kommune bestimmte Nutzungen ausschließen, wir lassen uns auch sehr genau die geplante Finanzierung erläutern. Meines Wissens ist Herr Rieger in Bremen noch nicht vorstellig geworden. Aber es ist natürlich schwierig zu erkennen, wer jeweils dahinter steckt. Und wenn so etwas vor der eigenen Haustür passiert [Riegers Kaufandrohung in Bezug aufs Delmenhorster „Hotel am Stadtpark“, d. Red.] ist man in der Tat gewarnt.

Sie haben auch mit ganz anderen Problemlagen zu tun: Vor einem Jahr haben Sie die Betreuung von zahllosen Minigrundstücken von der „Bremischen“ geerbt. Wie kann man so was sinnvoll verwalten?

Das ist die Gretchenfrage. Wir haben 4.500 Vertragseinheiten in allen Größenordnungen übernommen, unser kleinstes Grundstücke hat vielleicht 40 Quadratzentimeter: der Platz für einen Fahnenmast. Zunächst mal haben wir diese Liegenschaften klassisch sortiert und bis hin zu den Nebenkostenabrechnungen transparent erfasst. Das Grundprinzip ist, dass wir den staatlichen Besitz in einen Verwertungs-Kreislauf bringen, der wiederum Mittel zur Instandhaltung bereitstellt. Diese Aufgabe haben die Kommunen lange vernachlässigt.

Dies Modell sieht insbesondere vor, dass Schulsanierungen aus Verkäufen finanziert werden. Klappt das?

Schulsanierungen sind im Haushalt der Bildungssenatorin fest vorgesehen, hinzu kommen die Verkaufserlöse: Derzeit können wir damit etwas weniger als ein Drittel des Sanierungsbedarfs erwirtschaften. Man muss bedenken, dass wir hier einen 25-jährigen Sanierungsstau haben.

Gerade der Verkauf von Schulen ist ein schwieriges Geschäft. Wie weit sind Sie mit der Kornstraße?

Wir sind in Verhandlung mit einem Investor, der dort eine Mischnutzung aus „Jungem Wohnen“ und Dienstleistungsgewerbe unterbringen möchte. Allerdings werden wir auf Grund der schlechten Marktlage nicht die 1,2 Millionen Euro erlösen, die die Immobilie laut Geoinformation wert ist. In solchen Fällen muss der Verkauf von den politischen Gremien genehmigt werden. Im vergangenen Jahr haben wir immerhin 80 Verkäufe getätigt, allein aus dem „Sondervermögen Immobilien und Technik“ konnten wir zehn Millionen Euro erlösen.

Der Verkauf von städtischer Bausubstanz ist eine politisch und fiskalisch entschiedene Frage. Aber ist es tatsächlich angemessen, wenn sich öffentliche Instanzen im Zweifelsfall in schäbig-funktionalen Büroblocks einmieten müssen?

Aber das müssen Sie doch gar nicht! Die öffentliche Verwaltung hat einen wunderbaren Gebäudebestand, angefangen beim Rathaus ...

... über das gegebenenfalls eine Milkaplane gespannt wird ...

... bis hin zu Kindergärten, Schulen und Sportplätzen. Viele Immobilien wie das Volkshaus in Walle haben wir durch Baumaßnahmen auch erhalten und verbessert. Es kommt immer auf die Nutzerwünsche an: Das Ortsamt West beispielsweise hatte in der Elisabethstraße eine Immobilie, bei der alle Architekten feuchte Augen bekommen. Aber wegen der besseren Erreichbarkeit wollten sie von sich aus lieber ins Walle-Center.

Und die Rutenberg-Villa, in der „Mitte“ und „Östliche Vorstadt“ verwaltet werden?

Die ist für diesen Zweck doch viel zu groß. Das sagt selbst der Ortsamtsleiter.

Das Landesamt für politische Bildung am Osterdeich?

Für die haben wir keinen adäquaten neuen Standort finden können – sie bleibt also erstmal drin.