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Archiv-Artikel

Leben im Geiste von Adam und Eva

In „Menschen hautnah“ zeigt der WDR heute Abend ein Porträt des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner. Der Kirchenmann, der gerne mal gegen Homosexuelle, Drogensucht und Demokratie in der Kirche wütet, hat als Privatmensch nicht viel zu bieten

VON DIRK ECKERT

Sieben Strafanzeigen liegen gegen den Kölner Erzbischof Joachim Meisner vor, seit der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete, dass Meisner bei einem Vortrag in Budapest gesagt hat, die Gesellschaft müsse Homosexuelle, Drogensüchtige und Terroristen „ausschwitzen“. Zwar ist Meisner für solche Ausfälle einschlägig bekannt – doch das ist Rekord.

„In der Tat, das hat es noch nicht gegeben“, wundert sich der Kardinal in einem Porträt, das der WDR heute abend in seiner Sendereihe „Menschen hautnah“ ausstrahlt. Der Sendeplatz legt nahe, dass hier so etwas wie der wahre Meisner, der Mensch hinter der öffentlichen Reizfigur zum Vorschein kommt. Und genau so verspricht es der WDR auch. Doch das Vorhaben scheitert aus einem einfachen Grund: Meisner hat im Privaten nicht viel zu bieten.

Ein Meisner sündigt nicht

Kurz zusammengefasst: Meisner ist Flüchtlingskind, in der DDR aufgewachsen, verehrt seine Mutter und Maria, besucht gerne seine Brüder und deren Kinder. Hobbys, Laster oder Schwächen, die ihn als Menschen interessant machen könnten, hat der Kirchenmann nicht. „Wir Menschen sind alle keine Heiligen, auch ein Kardinal nicht, wir sind alle Sünder“, sagt Meisner. Doch das ist nur ein Pflichtbekenntnis, um erstens irgendwie menschlich daher zu kommen und zweitens die Hetze gegen Homosexuelle, auf die der Satz gemünzt ist, abzuschwächen. Jemand wie Meisner sündigt natürlich nicht.

Erst in den Gesprächen mit Filmautor Günther B. Ginzel gewinnt Meisner etwas Kontur und Farbe. Hier zeigt er sich für seine Verhältnisse ungewohnt angriffslustig. Es sei eben „nicht der Beruf eines Christen oder eines Bischofs, Beifall einzusammeln“. Fragen nach Demokratie in der Kirche weicht er nicht aus, wie er es in einer im Film dankenswerterweise gezeigten Auseinandersetzung mit dem Kölner Theologieprofessor Johannes Brosseder Anfang der 90er getan hatte. Damals hatte er die Frage nach undemokratischen Zuständen in der katholischen Kirche als unverschämt abgetan, weil er ja selbst Jahrzehnte in einem „absolutistischen System atheistischer Prägung“, er meint die DDR, gelebt habe.

Der Erkenntnisgewinn hält sich indes auch in den Gesprächen mit Ginzel in engen Grenzen. Denn Meisners theologische Einlassungen sind äußerst simpel gestrickt. Demokratie in der Kirche könne es nicht geben, weil in der Kirche Christus das Haupt und die Menschen die Glieder seien: „Das Haupt ist normativ für die Glieder.“ Im Zweifel gilt, was die Bibel sagt. Weil Adam und Eva heterosexuell waren, hat das eben für alle Menschen zu gelten. Und schließlich sei nur so der Fortbestand der Menschheit garantiert. Noch Fragen?

Mit diesem Weltbild ausgestattet, wird Meisner – so viel ist sicher – weiter gegen Homosexualität, Naturwissenschaft, Terrorismus und Drogen kämpfen, gerade so wie er es schon vor Budapest etliche Male getan hat, ohne dass sich irgendwer beschwert hätte, wie er süffisant anmerkt. Wenn sich Meisner als Meister der Ursachenforschung betätigt, klingt das so: „Das Drogenproblem gab es das ganze Mittelalter nicht, weil der Mensch nämlich eine andere Möglichkeit hatte, sich zu transzendieren, sich zu überschreiten, nämlich durch den Horizont des lebendigen Gottes.“

So schön war das damals im Mittelalter, als die Welt noch in Ordnung war, damals, vor der Aufklärung. Wie allerdings jemand auf Auschwitz kommen konnte, als er von „Gifte ausschwitzen“ redete, das will Meisner bis heute nicht in den Kopf. „Das ist mir im Traum nicht eingefallen“, beteuert der frischgebackene Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband. Leider endet der Film hier, Kritiker kommen nicht mehr zu Wort.

Der Kardinal. Joachim Meisner, Erzbischof von Köln. Heute, 22.30 Uhr, WDR