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Archiv-Artikel

Ja zu Hartz, aber nicht so hart

Berliner SPD stellt sich im Kern hinter die Arbeitsmarktreform, verlangt jedoch Überprüfung und Nachbesserung. Zudem soll der Palast der Republik erst fallen, wenn Schloss-Finanzierung steht

VON STEFAN ALBERTI

Das Timing meinte es gut mit der Berliner SPD. Als sich die Genossen am Samstag zum Parteitag trafen, galt noch eine zwei Wochen alte Umfrage, die die SPD erstmals seit August 2003 vor der CDU sah. Erst am Sonntag erschienen neue Werte, bei denen die Union wieder vorne ist. Doch auch in Führung liegend gab es bei den Genossen viel Diskussionsstoff. Stundenlang rangen sie um einen Leitantrag, der die Arbeitsmarktreform Hartz IV zwar stützt, aber in einer Art „Hartz plus“ Verbesserungen und Überprüfung fordert.

Zum Auftakt hatten die rund 220 Delegierten und mehrere hundert Gäste Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement, zugleich SPD-Bundesvize und bei der Partei eher wenig geliebt, ausdauernd beklatscht. Was sie nicht hinderte, seinem Appell zum Trotz eine Reform der Vermögen- und eine höhere Erbschaftsteuer zu fordern. Clement hält das für falsch und für chancenlos im Bundesrat.

Clement wandte sich in seiner anderthalbstündigen Rede auch dagegen, Hartz IV gleich nachzubessern: Die Genossen sollten den Prozess doch erst mal in Gang kommen lassen, bevor sie im Einzelnen Kritik übten. Er stellte sich auch klar vor die Ein-Euro-Jobs, bei denen der Parteitag später einen restriktiven und kontrollierten Umgang forderte. „Ihr wusstet ja, wen Ihr eingeladen habt“, sagte Clement, man müsse offen miteinander reden. Einer, der sonst in der Berliner SPD so etwas sagt, setzte sich nach der Rede direkt mit Clement zum Plausch zusammen: Finanzsenator Thilo Sarrazin.

Vertreter der SPD-Linken kritisierten derweil den Wirtschaftsminister. Der solle nicht bloß an Unternehmen appellieren, sondern Druck machen, verlangte der Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg, Mark Rackles. Ein anderes Mitglied forderte radikal „einen Neuanfang für die SPD ohne Schröder“. Bildhaft wandte sich der Bundestagsabgeordnete und frühere Landeschef Detlef Dzembritzki gegen die Kritiker: Da sei nun endlich mal Licht am Ende des Tunnel. Und sofort würden einige Genossen sagen: „Da kann uns höchstens ein Zug entgegenkommen“, oder sich damit beschäftigen, den Tunnel zu verlängern.

Der exponierteste Linke gab sich dabei gemäßigt. Man müsse einsehen, „dass die Würfel gefallen sind“, sagte Hans-Georg Lorenz, Abgeordneter und Kopf des linken „Donnerstagkreises“. Was für ihn allerdings nicht dagegen sprechen darf, jetzt kritisch auf Hartz IV zu gucken „und zu verhindern, dass die schlimmsten Befürchtungen real werden.“

Zu den geforderten und zu prüfenden Nachbesserungen – „Hartz veredeln“, nannte es Parteivize Christian Hanke – gehören folgende Punkte: ein Landesprogramm durchzusetzen, das vor allem älteren Langzeitarbeitslosen, Frauen und jungen Migranten zugute kommt; das bisher in West (345 Euro) und Ost (331 Euro) unterschiedene Arbeitslosengeld II anzugleichen; Freibeträge bei der Anrechnung von Altersversorgung und Vermögen zu erhöhen; Zumutbarkeitsregelungen zu entschärfen; Härtefallregelungen einzuführen für jene, die aus dem Arbeitslosengeld II herausfallen.

Unabhängig von der Diskussion um Hartz IV forderte die Partei zwei Kurskorrekturen von ihren Senatsvertretern und ihrer Abgeordnetenhausfraktion. Zum einen stimmten die Delegierten trotz Gegenrede von Fraktions- und Parteichef Müller mit knapper Mehrheit dafür, dass zukünftig das Abgeordnetenhaus auf Vorschlag des Senats die Aufsichtsratsposten in landeseigenen Unternehmen besetzt. Zum anderen forderten sie, dass der Palast der Republik erst abgerissen wird, wenn die Finanzierung für den geplanten Schloss-Neubau steht. Bis dahin soll die Zwischennutzung fortgesetzt werden. Nach jetziger Planung soll der Palast ab Herbst 2005 abgerissen werden.