: Kritik am EU-Gipfel
Europaparlament und Prodi zeigen Enttäuschung über Abbruch des Verfassungsgipfels. Nur Berlusconi zufrieden
STRASSBURG afp/dpa ■ Nach dem gescheiterten EU-Gipfel vom Wochenende haben Vertreter des Europaparlaments und Kommissionspräsident Romano Prodi harsche Kritik geäußert. Dass die Staats- und Regierungschefs keine Einigung über die erste Verfassung der EU erzielen konnten, sei eine „sehr, sehr große Enttäuschung“, sagte Prodi gestern in Straßburg. Vertreter mehrerer Fraktionen warfen dem amtierenden italienischen EU-Vorsitz mangelndes Verhandlungsgeschick vor.
Der Entwurf des Verfassungskonvents sollte der Ausgangspunkt für einen Schritt nach vorne sein, sagte Prodi. „Einige Staaten“ hätten ihn jedoch benutzt, um einen „Schritt zurück zu machen“. Das Projekt der europäischen Integration sei dadurch zum Stillstand gekommen. „Wir alle haben eine große Gelegenheit verpasst.“ Prodi rief die EU-Staaten eindringlich auf, sich nun „um unsere Union zu scharen“. Gelinge dies nicht, werde Europa an Einfluss in der Welt verlieren und an den „Rand der Geschichte gedrängt“ werden.
Mehrere Parlamentarier übten scharfe Kritik an Italien, das bis Ende des Jahres den EU-Vorsitz hat. Außer ein „paar schlechten Witzen“ habe Berlusconi bei den Verhandlungen nicht viel in der Tasche gehabt, sagte der Vorsitzende der liberalen Fraktion, der Brite Graham Watson.
Berlusconi dagegen verteidigte den Abbruch des Gipfels als angemessen. Als Reaktion auf die Kritik sagte: „Wir liefen Gefahr, auf unseren Positionen zu verharren. Aber wir wollten keinen faulen Kompromiss.“ Eine Fortsetzung des Verfassungsgipfels hätte nach seinen Worten zu einem echten Scheitern geführt, weil die EU mit einem Kompromiss nicht funktions- und entscheidungsfähig geworden wäre.
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