: Attentäter ohne Waffen oder Sprengstoff
Wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe erlässt der BGH Haftbefehl gegen drei der mutmaßlichen Islamisten, die am Freitag verhaftet wurden. Unklar ist, ob in Berlin ernsthaft ein Anschlag auf Iraks Präsidenten geplant war
FREIBURG taz ■ Drei Haftbefehle und eine Freilassung, das ist die Bilanz des Wochenendes nach dem Staatsbesuch des irakischen Präsidenten Ajad Allawi. Die drei am Freitag festgenommenen Iraker aus Stuttgart, Augsburg und Berlin müssen in Haft bleiben. Ein am Samstag in Berlin inhaftierter Libanese wurde dagegen gestern mangels dringenden Tatverdachts wieder freigelassen.
Ob die drei Iraker ernsthaft einen Anschlag auf Allawi geplant haben, ist nach wie vor unklar. Nach Angaben der Berliner Morgenpost hat der in Berlin lebende Rafek M. relativ spontan bei Telefongesprächen mit dem in Stuttgart befindlichen Ata R. beschlossen, einen Molotow-Cocktail auf Allawi zu werfen. Das Attentat sollte den Angaben zufolge bei einem deutsch-irakischen Wirtschaftsdialog in den Räumen der Deutschen Bank in Berlin-Mitte durchgeführt werden. Bei den Razzien am Freitag waren nach Aussagen der Bundesanwaltschaft weder Waffen noch Sprengstoff gefunden worden.
Die drei festgenommenen Iraker wurden am Samstag dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt. Nach stundenlangen Befragungen erließ der Richter am Samstagabend die drei von Generalbundesanwalt Kay Nehm beantragten Haftbefehle. Im Fall des Libanesen ergab die Befragung durch die Polizei so wenig Verdachtsmomente, dass kein Haftbefehl beantragt wurde.
Der Haftbefehl gegen die drei Iraker stützt sich lediglich auf den dringenden Verdacht der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“. Gemeint ist die kurdisch-irakische Terrorgruppe Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam). Schon die Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe kann mit Haft bis zu zehn Jahren bestraft werden. Konkrete Beiträge zu Terrorakten sind nicht erforderlich.
Die Mitgliedschaft in ausländischen Terrorgruppen ist in Deutschland erst seit zwei Jahren strafbar. Im Jahr 2002 wurde der Paragraf 129 b ins Strafgesetzbuch eingefügt. Wie Paragraf 129 a, der für inländische terroristische Vereinigungen wie die RAF galt und gilt, ist er vor allem ein Ermittlungsparagraf. Er ermöglicht es, Verdächtige auch ohne konkrete Tatbeweise in Untersuchungshaft zu nehmen, um dann in Ruhe weiterzuermitteln. Nach Medienangaben hat Ansar al-Islam etwa 100 Anhänger in Deutschland und wäre damit die bedeutendste Gruppe gewaltbereiter islamistischer Extremisten in der Bundesrepublik.
Am Wochenende forderte die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag-Wolgast mehr Kompetenzen des Bundeskriminalamts zur Vorfeldbeobachtung des Terrorismus. Der bayerische Innenmister Günther Beckstein (CSU) und der grüne Rechtspolitiker Volker Beck wiesen dies zurück. Übereinstimmend erklärten sie, der vorliegende Fall habe gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Bund und Ländern funktioniere.
Nach taz-Informationen existierte zeitweise sogar eine gemeinsame Arbeitsgruppe Nordirak (abgekürzt AG Noir) beim BKA und den Landeskriminalämtern. CHRISTIAN RATH