: Bottrops Kumpel kriegen Subventionen
Mitglieder im „Prosper-Verbund“ der Bottroper Knappschaft müssen im Januar keine Praxisgebühr zahlen. Dafür ist die Auswahl der Ärzte für die Bergarbeiterfamilien begrenzt. 21.000 Versicherte profitieren
BOTTROP taz ■ Kranke Menschen sollten nach Bottrop ziehen. Hier können sich Knappschaftsangehörige, die ab dem 1. Januar fälligen Praxisgebühren ersparen, wenn sie dem „Prosper-Verbund“ angehören. Seit 1999 besteht das Netz zur integrierten Gesundheitsversorgung, in das sich Bottroper Knappschaftsangehörige einschreiben können. Vernetzt sind beinahe alle niedergelassenen Knappschaftsärzte, das eigene Krankenhaus und 9.600 der über 21.000 Versicherten. „Wir arbeiten sehr wirtschaftlich“, erklärt Ulrich Kannapinn, Hausarzt und Vorstandsmitglied des Prosper-Verbundes den Verzicht auf Praxisgebühren. Auch die Recklinghäuser Knappschaft habe seit letztem Jahr ein solches einzigartiges Netzwerk gegründet, so Kannapinn.
So einzigartig scheint dieser Vorstoß nicht zu sein: „Grundsätzlich kann jeder im neuen Jahr bei seiner Krankenkasse ein solches Bonusmodell in Anspruch nehmen“, erklärt Ulrich Thamer, Vorsitzender der Krankenkassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Der Versicherte verpflichte sich dabei, immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen.
Die Zahlung von zehn Euro pro Arzt und Quartal ist Bestandteil der neuen Gesundheitsreform der Bundesregierung. Ausgenommen von der Praxisgebühr sind Minderjährige. PatientInnen, die eine Überweisung mitbringen oder zu klar bestimmten Vorsorgeuntersuchungen in die Praxis kommen, müssen auch nicht zahlen. Die Praxisgebühr hat aber nicht nur bei PatientInnen und sozialen Verbänden Kritik hervorgerufen. Auch bei den niedergelassenen Ärzten hat die Reform für großes Geschrei gesorgt. Dabei geht es nicht vorrangig um den Geldbeutel der PatientInnen. „Das Personal muss Quittungen schreiben, Kassenbücher führen und bekommt nichts dafür“, beschwert sich Kannapinn. Das Einzige, was die Krankenkassen übernehmen würden, wäre die Mahngebühr. Außerdem befände sich abends sehr viel Geld in der Praxis: „Wir haben Angst vor Überfällen“, sagt er. Er hat nichts gegen den Versuch des Gesetzgebers, die Arztbesuche der PatientInnen zu steuern. Aber: „Die Idee ist gut, die Umsetzung dilettantisch“. Auch KV-Chef Thamer unterstützt die Gesundheitsreformen, hält jedoch die Pläne der Bundesgesundheitsministerin für praxisfern. Man könne die Praxisgebühr ruhig ein Jahr lang einmal ausprobieren, meint er. „Wenn es aber nicht den gewünschten Effekt hat, sollten die den Unsinn bald wieder abschaffen.“
Die Praxisgebühr ist nur eine neue Belastung für PatientInnen. Auch der Zahnersatz wird ausgegliedert und Geringverdienende bekommen keine automatische Gebührenbefreiung mehr. Sie müssen das Geld für Medikamente und Praxisgebühren vorschießen und werden dann bei Überschreiten einer neu geregelten Belastungsgrenze im Nachhinein befreit. Geringverdienende werden also nicht nur in der Auswahl ihres Arztes eingeschränkt, sondern müssen ihren Artzbesuch auf den Monatsanfang verschieben, wenn wieder Geld auf dem Konto ist. NATALIE WIESMANN