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Archiv-Artikel

Bürger erinnern Flick an Zwangsarbeiter

Verein will unweit der geplanten Ausstellung des Kunstsammlers Flick an Zwangsarbeiter erinnern, die in der Nazi-Zeit in Flick-Werken starben. Lottogelder wurden dafür nicht bewilligt. Gab Senator Flierl seine Stellungnahme nicht rechtzeitig ab?

VON ROBIN ALEXANDER

Parallel zur Ausstellung der so genannten Flick Collection soll an die von der Flick-Familie ausgebeuteten Zwangsarbeiter erinnert werden. Der Förderverein Dokumentation Zwangsarbeit, ein Zusammenschluss Berliner Bürger um die Publizistin Lea Rosh, plant eine Dokumentation der Familiengeschichte inklusive ihrer Verbrechen. Bisher gibt es keine öffentlichen Gelder für das Vorhaben: Ein Antrag auf Lottomittel wurde abgelehnt. Der Lottobeirat, dem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vorsitzt, beschäftigte sich gar nicht mit einem eingereichten Antrag. Nach Meinung des Fördervereins trägt dafür Kultursenator Thomas Flierl (PDS) die Verantwortung: Seine Verwaltung habe die Stellungnahme für den Lottobeirat zu spät erarbeitet. „Zur entscheidenden Sitzung hat die entscheidende Schrift des Senators gefehlt“, klagt Armin Huttenlocher, Vorstandsmitglied des Fördervereins.

Gegen diesen Vorwurf verwahrt sich Flierl energisch: „Der Förderverein hat seinen Antrag einfach zu spät eingereicht“, erklärt sein Sprecher. Dem Kultursenator liege es fern, eine Dokumentation über die Zwangsarbeiter in den Flick-Werken zu unterbinden. Der Förderverein sei allerdings selbst schuld, wenn er nicht in der Lage sei, fristgerecht einen Antrag zu stellen.

Nach Auskunft der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, kurz: Lottostiftung, ging am 20. Oktober – vier Wochen vor der entscheidenden Sitzung des Lottostiftungsrats – ein entsprechender Antrag ein. Allerdings, so die Stiftung, seien die Unterlagen „unvollständig“ gewesen und erst am 17. November vervollständigt worden. Erst danach wurde die Kulturverwaltung formell von der Lottostiftung um Stellungnahme gebeten. Die Stiftungsratssitzung fand am 26. November statt – der Antrag für die Flick-Dokumentation blieb unbehandelt, da die Stellungnahme fehlte. „Diese muss mindestens fünf Wochen vorher vorliegen“, erklärte eine Sprecherin.

„Das ist eine alberne Ausrede“, kommentiert Huttenlocher. Der Antrag seines Fördervereins habe lediglich „einen Zahlendreher“ in seinem ersten Antrag gehabt. „Dies hätte mit einem einzelnen Federstrich behoben werden können.“ In der Tat habe ihm eine Mitarbeiterin des Kultursenators versichert, die Stellungnahme des Senators würde rechtzeitig eingehen: „Wir haben uns darauf verlassen.“

Der Förderverein plant eine Ausstellung über die Familiengeschichte der Flicks an einem Ort unweit der Rieck-Halle, in der die Flick Collection gezeigt werden wird: der so genannten A-Halle, unweit der Invalidenstraße. Eine Dokumentation innerhalb der Rieck-Halle hatte sich Flick verbeten. Der Großvater des Kunstsammlers Friedrich Christian Flick war einer der wichtigsten Rüstungslieferanten Hitlers. In seinen Werken schufteten und starben tausende von Zwangsarbeitern.

Das Konzept der Dokumentation des Fördervereins sieht darüber hinaus vor, auch die Entschädigungsdebatte zu thematisieren. Friedrich Christian Flick weigerte sich, in den Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter einzuzahlen.

Die Dokumentation der Familiengeschichte soll von dem Historiker Harald Wixforth erstellt werden. Das Vorhaben gilt als schwierig, weil sich die Flicks bis heute weigern, ihr Familienarchiv zu öffnen. Wixforth erklärte jedoch, seine Arbeit sei auch ohne diesen Zugang möglich, und fügte hinzu: „Die Erfahrung lehrt: Wer seine Archive geschlossen hält, hat etwas zu verbergen.“

Der Förderverein möchte mit seinem Engagement eine Lücke schließen: „Die unkritische Feier des Museumsprojekts Flick in Berlin ist aus unserer Sicht geeignet, der Verdrängung der Taten des Kriegsverbrechers Flick Vorschub zu leisten“, so Huttenlocher gestern. Ausgerechnet SPD und PDS würden „den Dialog mit der Geschichte verweigern“. Dies gelte insbesondere für Klaus Wowereit und die Kulturstaatsministerin Christina Weiss (beide SPD).

Insgesamt soll die Dokumentation nur 450.000 Euro inklusive des Hallenumbaus kosten. Der Lottoantrag bezieht sich nur auf die Einrichtung und das erste Jahr. Einen Teil dieser Kosten und den kompletten Betrieb möchte der Förderverein mit privaten Spenden finanzieren.

Ohne die bisher nicht zur Verfügung stehenden Lottogelder bliebe die geplante Dokumentation eine rein privat finanzierte Initiative. Dies steht in krassem Gegensatz zur Flick-Ausstellung: Der Sammler gibt seine Kunstwerke nur als Leihgabe. Die Kosten für den Betrieb der Ausstellung liegen beim Land. Die enorme Wertsteigerung, die Flick mit der Präsentation für seine bisher nicht öffentlich zugänglichen Werke erwarten kann, wird dem Land Berlin nicht zugute kommen: Flick lebt in der Schweiz. Seine Firma, mit der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Vertrag abschloss, residiert im Steuerparadies Guernsey.