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Archiv-Artikel

Ärger um Homo-Altersheim

In Schöneberg soll im Frühjahr 2006 das erste Alten- und Pflegeheim nur für Schwule und Lesben eröffnet werden. Die Community streitet allerdings darüber, wie sie das Großprojekt bewerten soll

von TORBEN IBS

Berlin soll sein erstes Alten- und Pflegeheim für lesbische und schwule SeniorInnen bekommen. Ihr Konzept des Magnus-Hirschfeld-Hauses, dessen Name an einen der Väter der Schwulenbewegung erinnert, stellten die Initiatoren gestern der Öffentlichkeit vor. Bis zum Frühjahr 2006 wird dafür ein Gebäude in der Winterfeldtstraße in Schöneberg renoviert. Das Haus soll 150 Plätze bieten, darunter 40 Pflegeplätze und eine Wohngruppe. Zusätzlich zum Wohnbereich sind rund 1.000 Quadratmeter Fläche für ein Café und Räume für kulturelle Veranstaltungen vorgesehen. „Das Haus soll für alle offen sein“, sagte Hans-Jürgen Esch, einer der Initiatoren. Finanziert wird das 11 Millionen Euro schwere Projekt über eine Kommanditgesellschaft, die Verwaltung wird über eine Betreibergesellschaft laufen. Anteile gibt es ab 15.000 Euro. Es ist das einzige Haus dieser Art und in diesem Umfang in Deutschland.

Bei einem so großen Projekt ist es kaum verwunderlich, wenn nicht alle gleich Hurra schreien. So meldete der Verein Village, der sich nach eigener Aussage seit vier Jahren für die Interessen älterer Lesben und Schwuler einsetzt, in einem offenen Brief massive Bedenken an. Das Objekt sei zu groß, hieß es da, die Community sei zu wenig an den Planungen beteiligt gewesen. Auch die starke kommerzielle Ausrichtung des Projekts, bei der vor allem Renditeaspekte im Vordergrund stünden, stieß dem Verein sauer auf. Zudem geben sogar die Initiatoren zu, dass sie nicht an eine Belegung nur mit Lesben und Schwulen glauben. Christian Hamm von Village: „Es ist schwer, die Zielgruppe im Alter zwischen 60 und 80 Jahren zu erreichen. Wenn später das Verhältnis von Homosexuellen zu Heteros bei 20 zu 80 liegt, kann das Haus aufgrund seiner Größe die hohen Erwartungen an ein rein schwules und lesbisches Heim nicht erfüllen. Das wäre sehr bedauerlich.“ Von der geforderten Homo-Einrichtung könne da keine Rede mehr sein, so das Village-Vorstandsmitglied.

Auch die Schwulenberatung Berlin beteiligt sich aus ähnlichen Gründen nicht an dem Projekt. Es sei zu groß geplant, die Gegend sei problematisch und die Mieten ab 400 Euro seien gerade für Leute, die von Sozialhilfe oder sehr kleinen Renten leben müssten, einfach zu hoch. Frank Hartung, der den Bereich „Anders Altern“ bei der Schwulenberatung betreut: „Wir setzen uns eher für intergeneratives Wohnen, also Wohnen mit verschiedenen Generationen ein.“ Auch die Tatsache, dass von vornherein Pflegeplätze als fester Bestandteil des Hauses eingeplant sind, gefällt den Leuten von „Anders Leben“ nicht. „Wir wollen kein Pflege- oder Altersheim, sondern eher in eine andere Richtung“, so Marco Pulver, der ebenfalls im Bereich „Anders Altern“ aktiv ist. Ihnen schwebt ein kleineres Projekt vor, das auch schon in Planung, aber längst nicht so weit fortgeschritten ist wie das Magnus-Hirschfeld-Haus. Und auch der Verein Village plant seit längerem eine eigene kleinere Wohnstätte für Ältere, allerdings im gleichen Kiez: am anderen Ende der Winterfeldtstraße.

Hans-Jürgen Esch mag diese Einwände nicht gelten lassen. „Ein solches Haus muss wirtschaftlich rentabel arbeiten können, und das kann es erst ab einer solchen Größenordnung.“ Auch den Vorwurf, er habe keine Kontakte zur Community und sich mit den Organisationen für alternde Homosexuelle nicht auseinander gesetzt, bestreitet Esch. Er verweist auf die enge Zusammenarbeit mit dem Verein Elledorado, der das Magnus-Hirschfeld-Haus betreut und begleitet. Der Verein ist bisher vor allem durch Kulturförderung aufgefallen. Village wirft ihm daher in seinem offenen Brief vor, der Verein „hat keinerlei Ahnung von den Bedürfnissen alter und pflegebedürftiger Lesben und Schwuler“. Bernd Offermann, Elledorado-Vorsitzender, weist die Vorwürfe der Inkompetenz energisch zurück und hat Christian Hamm, den Verfasser des Briefes, deswegen sogar abgemahnt. Offermann: „Wir haben in unserem Arbeitskreis eine Geriatrie-Ärztin, einen Fachausbilder für Pflege und eine Pfarrerin, die alle fachlich kompetent sind.“ Als Gegenleistung für die ehrenamtliche Beratung durch den Verein wird die Investorenriege bereits zur Eröffnung des Hauses 50.000 Euro Stiftungskapital für die geplante gemeinnützige Elledorado-Stiftung geben.

Ganz pragmatisch sieht man die Entwicklungen beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. Es gehe in die richtige Richtung, sagt Sprecher Alexander Zirr. Dass es verschiedene Initiativen gebe, sei gut und fördere den Wettbewerb. Bei einigen Projekten sei er aber skeptisch, was die Finanzierung betrifft. Dieses Problem wenigstens scheint beim Magnus-Hirschfeld-Haus gelöst. Ob es aber von der schwul-lesbischen Community so angenommen wird, wie erhofft, bleibt abzuwarten.