Hartz-Missbrauch wird ausgefegt

Wirtschaft und Senat einigen sich auf Regeln, die einen Missbrauch von Ein-Euro-Jobs verhindern sollen. Die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze soll verhindert werden. Gewerkschaft bleibt skeptisch

von RICHARD ROTHER

Was ist Missbrauch von Ein-Euro-Jobs? Nehmen wir ein hypothetisches Beispiel: Ein Kulturverein sucht eine Bürohilfe, würde sie als Ein-Euro-Kraft einstellen. Aber weder der freie Träger, der den zuvor Arbeitslosen vermittelt, noch die Arbeitsagentur fragen nach, ob der Verein vielleicht zuvor seine Sekretärin entlassen hat. Wäre es so, hätte der Ein-Euro-Job eine reguläre Stelle verdrängt.

Um den Missbrauch von Ein-Euro-Jobs zu verhindern, haben nun gestern erstmals Senat, Arbeitsagentur, Wirtschaft und Gewerkschaften eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. „Reguläre Beschäftigungsverhältnisse dürfen bei der Einrichtung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) nicht verdrängt, die Neueinrichtung regulärer Jobs darf nicht behindert werden“, heißt es darin. Pflichtaufgaben des öffentlichen Dienstes seien keine Einsatzbereiche für Arbeitsgelegenheiten. Die müssten stattdessen „im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein“.

Das öffentliche Interesse sei bei Jobs gegeben, wenn deren Resultat der Allgemeinheit dient, heißt es weiter. „Arbeiten, deren Ergebnis erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dienen, liegen nicht im öffentlichen Interesse.“ Ein-Euro-Jobber würden nicht in privaten Unternehmen eingesetzt, betonten gestern der Präsident der Berliner Handwerkskammer, Stephan Schwarz, und der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes (UVB), Klaus-Dieter Teufel. Die Wirtschaft – an der Erklärung waren auch die besonders betroffenen Bau-, Maler- und Gärtnerverbände beteiligt – nimmt damit erstmals Abschied von der Möglichkeit, Ein-Euro-Jobs in privaten Unternehmen einzurichten.

Bis zu 45.000 solcher Jobs sollen 2005 in Berlin für Arbeitslose geschaffen werden. Da die Einsätze meist nur ein halbes Jahr laufen, könnte rund 70.000 Berlinern ein solcher Billigjob zugewiesen werden. Wer das ausschlägt – in Berlin werden 1,50 Euro pro Stunde gezahlt – bekommt weniger Geld vom Amt.

Zur Überprüfung der Ein-Euro-Jobs solle keine neues „bürokratisches Kontrollgremium“ geschaffen werden, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Die Kontrollfunktion müsse in den Beiräten der Arbeitsgemeinschaften ausgeübt werden. Arbeitsagenturen und Bezirksämter bilden Arbeitsgemeinschaften, um Hartz IV umzusetzen. In den Beiräten sollen nun auch Wirtschaft und Gewerkschaften vertreten sein.

Skeptisch äußerte sich DGB-Landeschef Dieter Scholz. Die Kontroll-Strukturen seien noch nicht ausgereift. „Ich will von jedem wissen, wo er arbeitet.“ Deshalb wollten die Gewerkschaften ein Informationssystem aufbauen. „Wir müssen den Schaden so gering wie möglich halten.“

Der Landesvorstand der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit forderte gestern den rot-roten Senat auf, „keine öffentlich geförderten Ein-Euro-Jobs einzurichten“. Damit würden „die Betroffenen in einen Kreislauf von Billigjobs und Arbeitslosigkeit geschickt, dem sie kaum entrinnen können“.