PARTNERPFLEGE : Zahnschmerzen
Ich holte Katja vom Flughafen Tegel ab. Sie kam aus Wien und wollte sich ins Berliner Nachtleben stürzen. Sie sah elend aus. So wie man nach drei Tagen Durchfeiern aussieht. Nicht davor. Zahnschmerzattacken beutelten sie. Katja gehört zu den Leuten, die Zahnärzte fürchten wie der Teufel das Weihwasser und lieber auf eine Katastrophe zusteuern, statt regelmäßig zur Prophylaxe zu gehen. Prophylaxe sei was für Vollkaskoheinis, für Jack-Wolfskin-Deppen, für die Quadratisch-Praktisch-Gut-Menschen, sagte sie. Jetzt sah die Sache natürlich anders aus. Schmerztabletten halfen nicht mehr, also doch Arzt.
Doktor A. aus Asserbaidschan hatte Sonntagsdienst. Er war klein, rund und speckig, und das Erste, wonach er fragte, war die Praxisgebühr. Auf 50 Euro konnte er nicht herausgeben. „Einen Augenblick“, murmelte er und machte sich mit dem Schein aus dem Staub. Einen Augenblick dachte ich tatsächlich, er würde mit dem Geld verduften, aber das war natürlich lächerlich. Nach der Untersuchung wandte sich Dr. A. an mich: „Ist nicht schlimm.“ Und anerkennend fügte er hinzu: „Sie haben Ihre Frau gut gepflegt.“ Aber die Zähne, gab ich zu bedenken. Bakterien, kein Thema, ein bisschen desinfizieren und schon würde es besser werden. Wurde es aber nicht.
Am nächsten Tag brachte ich Katja zum Arzt meines Vertrauens. Der sah sich die Sache an, breitete die Arme aus und sagte, so groß ungefähr sei die Karies. Was das denn für ein Arzt gewesen sei? Ein Tierarzt? Wir wollten das nicht kategorisch ausschließen, aber ein netter, sagte Katja. Immerhin hatte er uns ein grandioses Kompliment geschenkt, einen sprachlichen Schatz, der uns für immer bleiben wird, und der war mit zehn Euro nicht überbezahlt. Und auch über die falsche Diagnose war Katja sehr froh. Womöglich hätte der „Tierarzt“ sonst gebohrt.
KLAUS BITTERMANN