piwik no script img

Archiv-Artikel

Tussi TV am Ende

Heute ist die letzte Gelegenheit, im Fernsehen der „Bunten“ unter die Motorhaube zu schauen. „Bunte TV“ ist abgesetzt (22.15 Uhr, ARD)

VON JENNI ZYLKA

Manche Menschen haben ein Selbstbewusstsein, das reicht von hier bis nach Monaco. Patricia Riekel zum Beispiel. Muss man nicht unbedingt kennen, die Promispotting-Gazette Bunte und das Tussimagazin InStyle (beide Burda-Verlag), deren beider Chefredakteurin sie ist, ebenso wenig. Trotzdem hatte Frau Riekel es – Wunder der öffentlich-rechtlichen Orientierungslosigkeit – ins Hauptprogramm geschafft: Ganze sechs Folgen „Bunte TV“ durfte sie am umkämpften Freitagabend in der ARD moderieren, heute läuft die allerletzte. Denn „Bunte TV“ wird postwendend abgesetzt.

Leicht hatte es das „Boulevardmagazin“ nicht, hausinterne Chefredakteurs-Vorwürfe („rufschädigend“) ließen Format und MacherInnen von Anfang an alt aussehen, und der beherzt stümperhafte Stil, in dem die Moderatorin sich durch die halbe Stunde radebrechte, tat sein Übriges: Weitab von jeglichen journalistischen Kenntnissen palaverte sie fröhlich stotternd mit Kati Witt und Angela Merkel über nix und wieder nix, und wenn es so etwas gibt wie redaktionelle (Vor)Arbeit, dann war dafür bei „Bunte TV“ ein bekiffter, lernbehinderter Schülerpraktikant zuständig.

Dabei hätte „Bunte TV“ durchaus das Zeug zu einer heimlichen Kultsendung mit dem Prädikat „besonders trashig“. Nur ein paar Flaschen des zu jeder Unzeit eingeblendeten Sponsoren-Billig-Sekts (auch deshalb gab es übrigens Ärger) würden reichen, um in „Bunte TV“ eine gelungene Satiresendung zu sehen.

Ist zum Beispiel der Weichzeichner, durch den Frau Riekel immer und ihre Gäste meistens wandelten, nicht eine stille Hommage an David Hamilton? Wer waren die grotesken, gelifteten, adeligen Frauen, denen Frau Riekel in ihrer fünften Sendung Fragen wie „Ähem, Sie, ähem, beide tragen oft das Gleiche, ähem, oder?“ stellte? Ist der Titel „First Lady des People-Journalismus“, den sich die „Bunte-Online“ für ihre Chefin ausgedacht hat, nicht vielleicht die Visitenkarten-Berufsbezeichnung des Jahres? Und wieso ist Frau Riekel bei ihren Prominenten-Interviews überhaupt andauernd im Bild, lauschend, weich gezeichnet, den Kopf schräg legend, ins Nichts guckend, offensichtlich die Leere im Kopf auskostend?

Aber Sender und Magazin weisen allen Spaß von sich. Ganz ernst mit der schwachen Zuschauerresonanz (zwischen 5,8 und 9,5 Prozent) und der „nicht richtigen Form, gehobenen Boulevard im ARD-Programm zu etablieren“ (hr-Direktor Conrad) begründet die ARD ihren Exodus.

Nein, bei „Bunte TV“ konnten wir gewissermaßen der Bunten unter die Motorhaube blicken und lernen, wie diese doch eher glitschige Form des Journalismus funktioniert: in ausreichendem Sicherheitsabstand zum heißen Brei weichgezeichnete Fragen stellen. Wer grotesk geliftete Gestalten vermeintlich ernsthaft nach dem Geheimnis ihrer Schönheit fragt, der ist so heimtückisch, wie es ihm der affirmative bürgerliche Boulevard eben noch erlaubt. Mehr geht nicht. Und weniger auch nicht.