: Zweite Heimat wird besteuert
Mit der Zweitwohnsitzsteuer will Bochum Studierende animieren, ihren Lebensmittelpunkt zu verlagern. Studierendenvertreter und Akademisches Förderungswerk plädieren für Anreize statt Druckmache
Bochum taz ■ Nach Dortmund, Essen und Castrop-Rauxel kassiert nun auch die Stadt Bochum eine Zweitwohnsitzsteuer. Auf der letzten Sitzung vor Weihnachten hat der Rat die Abgabe in Höhe von zwölf Prozent der Nettokaltmiete beschlossen. Die Abgabe betrifft WochenendpendlerInnen, Auszubildende, aber vor allem Studierende. „Je nach Größe des Zimmers oder der Wohnung werden da schnell zusätzlich 100 bis 150 Euro pro Jahr fällig“, rechnet der AStA-Sprecher der Ruhruniversität, Jan Reinecke.
Mit Hilfe der neuen Steuer wollen die Kommunen ihre maroden Haushalte aufbessern. Das eigentliche Ziel sei jedoch die Verlagerung des Hauptwohnsitzes nach Bochum, erklärt Wolfgang Cordes, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Befürworter der neuen Steuer: „Wir wollen, dass die Menschen, die hier unsere Infrastrukturen nutzen, auch etwas für die Stadt tun.“ Für jeden, der seinen Erstwohnsitz in Bochum anmelde, erhalte man Zuweisungen vom Land in Höhe von 800 Euro.
„Die Zweitwohnsitzsteuer stellt die Studierenden vor die Wahl zwischen Pest und Cholera“, reagierte zunächst AStA-Sprecher Jan Reinecke auf die Steuerankündigung. Der Studierendenvertreter befürchtete zusätzliche Kosten für seine Komilitonen, die ihren Erstwohnsitz von der Heimat in die Studienstadt verlegen. So könne man nicht mehr das Auto günstig bei den Eltern mitversichern und oder den Eltern entstünden finanzielle Nachteile. Ratsgrüner Wolfgang Cordes wehrt die Vorwürfe ab: Der AStA-Sprecher sei schlecht informiert und schüre unberechtigte Ängste. Weder das Kindergeld noch die Familienversicherung seien an den Wohnort gebunden. Einzig allein die Ummeldung des Autos würde teurer werden.
„Die meisten der Bedenken haben sich bereits aufgelöst“, bestätigt AStA-Pressesprecher Thilo Machotta gegenüber der taz. Allerdings gäbe es für eine kleine Gruppe Studierender durchaus finanzielle Einbußen. Als Beispiel nennt er „Bildungsinländer“, also in Deutschland aufgewachsene MigrantInnen. Diese könnten den Wohngeldverlust der Eltern nicht ausgleichen, weil sie kein Bafög erhielten.
Haben Studierende nicht selbst ein Interesse daran, das Leben in ihrer Studienstadt mitzugestalten, beispielsweise zu wählen? „Das sehe ich durchaus so“, bestätigt Machotta, selbst schon lange „richtiger“ Bochumer. Statt die Studis unter Druck zu setzen, könne man jedoch die Verlagerung des Erstwohnsitzes durch Anreize schmackhaft machen. Berlin hat beispielsweise mit Begrüßungsgeld und Köln mit einem einjährig kostenlosen Semesterticket um NeubürgerInnen geworben.
Auch der Verwaltungsrat des Akademischen Förderungswerks (AKAFÖ) lehnt die Zweitwohnungssteuer ab: Damit würden Studierende belastet, die ihren Lebensmittelpunkt auch während des Semesters in ihrer Heimatgemeinde hätten. „Wir würden es begrüßen, wenn es statt einer Zwangssteuer Anreize für die Studierenden gebe“, sagt Jörg Lüken, Geschäftsführer des AKAFÖ. Das Studentenwerk hätte bereits mit der Stadt Bochum ein Modell erarbeitet, „ein Kulturscheckheft mit einer Menge Rabatte für die Studierenden.“
Auch die CDU hat ihr Herz für Studierende entdeckt: Als einzige Fraktion hat sie gegen die Einführung der Zweitwohnungssteuer gestimmt. „Die Abgabe trifft nicht die Besitzer luxuriöser Ferienwohnungen, für die sie mal gedacht war“, so Ratsmitglied Dirk Schmidt in einer Pressemitteilung. „Die Zweitwohnungssteuer ist in einer Universitätsstadt sicherlich das falsche Zeichen.“ NATALIE WIESMANN