LEX HOLTZBRINCK: CLEMENTS PRESSEPOLITIK BEVORZUGT KONZERNE
: Machtvolle Ruheständler

Hut ab vor Kartellamtschef Ulf Böge. Er hat seinem Wirtschaftsminister angemessen deutlich gemacht, dass er dessen Umgang mit Zeitungsfusionen für bedenklich hält: Während Wolfgang Clement (SPD) gerade die Kartellvorschriften im sensiblen Pressebereich lockern will, erklärt Böge den Verkauf der Berliner Zeitung an den Holtzbrinck-Konzern unter den gegebenen Umständen wieder einmal für nicht zulässig.

Damit erweist Böge der publizistischen Vielfalt im Berliner Zeitungsmarkt einen Dienst – und bringt Clement in eine äußerst prekäre Lage. Wenn der Superminister jetzt wie geplant seine Neufassung des Pressekartellrechts durchdrückt, wird endgültig eine Lex Holtzbrinck daraus. Denn Clements Vorstellungen sind auch ein Schlag ins Gesicht des verlegerischen Mittelstands, um den sich der Minister sonst in diversen Sonntagsreden so bemüht. Sie nutzen vor allem den schon heute dominanten Großen der Branche – von Holtzbrinck über Springer bis zur WAZ-Gruppe.

Dass sich in Holtzbrincks Flaggschiff Zeit sogar der Chefredakteur persönlich schon mal vorab auf einer halben Seite unter der Überschrift „Rettung naht“ bedankt, ist da nur konsequent. Doch Michael Naumanns Artikel zeugt darüber hinaus von einem echten Skandal: Es ist nicht nur der Ton ignoranter Besserwisserei, in dem der der ehemalige SPD-Medienstaatsminister im Bundeskanzleramt über die Problematik schreibt, ohne auf seine eigenen politischen Verflechtungen hinzuweisen. So desinformiert die Zeit höchstens die eigene, honorige Leserschaft.

Clements Vorschläge und der Zeit-Beitrag sind vielmehr Belege, wie aktiv Verlagsgrößen wie Naumann oder der in WAZ-Diensten stehende ehemalige Bundeskanzleramtsminister Bodo Hombach offenbar bei den entscheidenden Stellen in der Politik Gehör finden – und weiterhin Medienpolitik betreiben können. Altbundeskanzler Helmut Schmidt nörgelt als Zeit-Herausgeber gern über das Große und Ganze. Es wäre höchste Zeit für einen Leitartikel über in die Medienwirtschaft abgewanderte Politiker. STEFFEN GRIMBERG