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Archiv-Artikel

gottschalk sagt Pseudolinkes Lehrerblättchen

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Beim Geburtstagfeiern kann sehr viel schief gehen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass jemand „Happy Birthday“ von Stevie Wonder auflegt. Eigentlich ist das ein guter Grund, die eigene Party zu verlassen und in einer Kneipe, die nach Klostein riecht, zur fröhlichen Melodie der Rotamintautomaten über das Leben nachzudenken. Oder darüber, dass man einfach nie wieder von spontanen Gästen Überraschungseier geschenkt bekommen möchte. Oder Wundertüten.

Warum bringen sie, wenn ihnen nichts einfällt, nicht Blumen mit oder Zigaretten oder schenken einfach Geld? Ich habe mich ja gefragt, wieso die taz nachmittags ihr Jubelfest begeht, zur Kindergeburtstagszeit, 15 Uhr, und fand dann irgendwann: Klar, da kann man weniger falsch machen. Abends muss man mindestens eine Band einladen. Entweder nimmt man eine billige, wo man mit dem Schlagzeuger befreundet ist, dann wird es provinziell, oder man nimmt eine gute, dann heißt es, man sei kommerziell. Und man braucht einen DJ, der einerseits hip ist, aber für alle taz-Leser und -Leserinnen auflegen kann. Und am nächsten Tag hätte es dann geheißen: „Weißt Du noch, Gottschalk, wie Du mit Ossi Helling zu Zweiraumwohnung getanzt hast?“

Dann doch lieber diese Mischung aus Aktionärsversammlung und Adventskabarett. Wenn man mich übrigens vor einem Jahr gefragt hat, ob ich glaube, dass die tägliche Kölner taz überlebt, habe ich mich immer ganz klar und eindeutig um eine Antwort gedrückt und sowas wie „verstehe nix von Finanzen, wat weiß ich, was die da machen, hängt irgendwie von Berlin ab, glaube ich“ gemurmelt. Und ich sollte mal wieder recht behalten. Zumindest teilweise.

Jedenfalls: Endlich kann man in der taz regelmäßig was über Köln lesen. Früher (also damals) fühlten wir uns immer sehr vernachlässigt. Man konnte machen, was man wollte, dieses scheißliberale, pseudolinke Lehrerblatt war voll unsolidarisch und berichtete nie was aus Köln. Vielleicht waren sie neidisch, dass wir hier mehr besetzte Häuser hatten seinerzeit als die in ihrem hochnäsigen Berlin. Jedenfalls, da waren wir sicher, steckte System hinter der Ignoranz. Jetzt haben wir unsere eigene taz. Dazu kann man uns nur beglückwünschen.

Festrede anlässlich der taz-Feier am 4.12. im Kölner Stadtgarten