: Vor der Marktlücke
Energiekonzern Vattenfall: Jedes dritte Kraftwerk muss ersetzt werden. Strompreise werden tendenziell steigen
Für die Erbauer von Kraftwerken wird Europa in den kommenden Jahren zum Dorado. Allein in Deutschland müsse zwischen 2010 und 2020 jedes dritte Kraftwerk ersetzt werden, sagte Vattenfall-Vorstandsmitglied Klaus Rauscher gestern in Hamburg. Dadurch entstehe ein Investitionsbedarf von 50 Milliarden Euro. Europaweit müssten im selben Zeitraum 200 Milliarden Euro für neue Stromerzeugungskapazitäten ausgegeben werden. Der Neubaubedarf werde sich in tendenziell steigenden Strompreisen niederschlagen.
Weil neue Kraftwerke auf einen 40-jährigen Betrieb hin ausgelegt würden, forderte Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson verlässliche Rahmenbedingungen von der Politik. Regierungen und Parlamente sollten sich überlegen, wie sie ihre Länder auf lange Sicht mit Strom und Wärme versorgen wollten. Während der Ersatzbedarf den Freunden regenerativer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung eine Möglichkeit bieten könnte, einen Fuß, womöglich ein ganzes Bein in die Tür der Energieversorgung zu kriegen, ließen die Herren von Vattenfall durchblicken, dass sie den Atomausstieg bedauern: Weltweit sei eine Renaissance des Nuklearstroms zu beobachten, behaupteten sie unter Verweis auf Finnland, Frankreich und einige Schwellenländer.
Der Atomausstieg werde in Deutschland die Preise zusätzlich in die Höhe treiben, ebenso die zunehmende Windenergie. Vattenfall zufolge stammte 2003 die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms aus Braun- und Steinkohle, 28 Prozent aus Atomkraft, zehn Prozent aus Erdgas und acht Prozent aus erneuerbaren Energien. Überall in der EU werden sich der Handel mit dem Recht, CO2 in die Atmosphäre zu blasen, preiserhöhend auswirken. In den Emissionshandel, der in der EU am 1. Januar 2005 beginnt, müsse so schnell wie möglich die ganze Welt einbezogen werden. Gernot Knödler