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Archiv-Artikel

Milliardengrab auf der Ostsee

FEHMARNBELT Gutachter belegen, dass die geplante Brücke zwischen Dänemark und Deutschland überflüssig ist. Verkehrsprognosen rechtfertigen nicht einmal eine Ortsumgehung. Heute Expertenanhörung im Bundestag

Die Querung über den Fehmarnbelt

Der Fehmarnbelt zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland ist etwa 19 Kilometer breit. Er ist die südliche Fortsetzung des Großen Belt zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland.

■ Diese Hauptroute zwischen Ostsee und Kattegat ist mit etwa 50.000 Schiffen pro Jahr eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Sie wird bereits seit 1998 von einer etwa 14 Kilometer langen Straßen- und Eisenbahnbrücke gequert, ebenso seit 2000 der etwa genauso breite Öresund zwischen Kopenhagen und dem schwedischen Malmö.

■ Nun soll eine gut 20 Kilometer lange Fehmarnbelt-Querung die Verbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen verbessern. Der Baubeginn ist für frühestens 2012 vorgesehen, mit einer Fertigstellung ist nicht vor 2018 zu rechnen.

■ Dänemark will die Baukosten von mindestens 4,4 Milliarden Euro nur für die Brücke allein tragen. Sie sollen durch Mauteinnahmen finanziert werden. (smv)

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Europas größtes Verkehrsprojekt steht auf tönernen Füßen. „Aus einer rationalen, ökonomischen Sichtweise wäre der Verzicht auf jegliche feste Querung des Fehmarnbelts angemessen“, urteilt das Münchener Verkehrsberatungsbüro Vieregg-Rößler GmbH. In einer gutachterlichen Stellungnahme für den Bundestag lässt Autor Karlheinz Rößler kaum ein gutes Haar an der milliardenteuren Straßen- und Schienenverbindung zwischen Deutschland und Dänemark (siehe Kasten). Die Verkehrsprognosen würden „an Land nicht einmal eine zweispurige Ortsumfahrungsstraße genehmigungs- und förderungswürdig“ machen, heißt es in der Expertise, die der taz nord vorliegt.

Am heutigen Mittwoch will der Verkehrsausschuss des Bundestags in einer Expertenanhörung den Brückenschlag über den Fehmarnbelt diskutieren. Damit soll die Entscheidung des Parlaments Anfang Juni über den Staatsvertrag vorbereitet werden, den Deutschland und Dänemark im September vorigen Jahres abgeschlossen haben. Darin hat sich der kleine Nachbar im Norden verpflichtet, die Brücke auf eigene Kosten zu bauen. Der Bund und die Deutsche Bahn müssten lediglich Straßen und Schienen zwischen Fehmarn und Lübeck ausbauen. Dafür wird etwa eine Milliarde Euro veranschlagt. Das dänische Parlament in Kopenhagen hat den Vertrag bereits am 26. März fast einstimmig gebilligt.

Nach Rößlers Analyse würden die jetzigen Verkehrszahlen von etwa 12.000 Autos und LKWs zu sommerlichen Spitzenzeiten eine vierspurige Fehmarnbelt-Brücke „lediglich zu 25 Prozent auslasten“, die aktuelle Grundlast“ im Rest des Jahres „nur zu 10 Prozent“. Selbst bei einem Wachstum der Verkehrsströme um 1,7 Prozent pro Jahr, wie es die offiziellen Prognosen behaupten, würden die Kosten durch die Maut nicht in den vorhergesagten 37 Jahren refinanziert werden können.

In einem solchen Fall könnten nachträglich doch die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Denn die Kredite für den Bau sollen durch Staatsgarantien gedeckt werden, falls die Einnahmen zur Rückzahlung nicht ausreichen. Und dafür spricht Einiges. Denn der Nutzen-Kosten-Faktor der Brücke liege bei lediglich 0,65 : 1, hat das Ostseeinstitut für Verkehr und Touristik an der Universität Rostock in einer Studie errechnet. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein volkswirtschaftliches Debakel: Mit jedem Euro, der investiert wird, wird ein ökonomischer Nutzen von lediglich 65 Cent erzielt. Sowas wird gemeinhin Zuschussgeschäft genannt.

Eine zweite Studie, die im Bundestag heute vorgestellt wird, kommt bei ähnlichen Berechnungen allerdings zu einem weit positiveren Ergebnis. Mit der Erholung der Weltwirtschaft werde das internationale Verkehrswachstum „wieder deutlich an Dynamik gewinnen“, prophezeit Markus Schubert vom Beratungsbüro Intraplan ebenfalls aus München. Und das sei bei der Fehmarnbelt-Brücke von besonderer Bedeutung, weil dort „eine gebührenpflichtige Fährverbindung durch eine ebenso gebührenpflichtige feste Landverbindung ersetzt“ werde.

Bislang gehen die offiziellen Planungen zwar davon aus, dass die Fährschiffe der Reederei Scandlines weiterhin auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby im Halbstundentakt pendeln. Schubert aber hält es „auf Dauer für unrealistisch“, dass die Fähren erhalten bleiben.

Das würde den Verdacht von Brückengegnern bestärken, dass die Mauteinnahmen aus dem Autoverkehr aus betriebswirtschaftlichen Gründen in die Höhe getrieben werden sollen. Der neue schleswig-holsteinische Verkehrsminister Jörn Biel (parteilos) vermag das nicht wirklich zu entkräften. Derlei Sorgen würden „von der Landesregierung ernst genommen – soweit sie berechtigt sind“, heißt es in seiner Stellungnahme an den Bundestag. Das wird er heute präziser erklären müssen.