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Archiv-Artikel

Angst vor einem Ausverkauf Kroatiens

Die Basis des nationalkonservativen Wahlsiegers HDZ hat hohe Erwartungen an die künftige Regierung. Sie soll härter mit dem UN-Tribunal in Den Haag verhandeln. Die Skepsis der Menschen gegenüber einem Beitritt zur Europäischen Union ist groß

Vielerorts wurden Partisanendenkmäler zerstört und durch „patriotische“ ersetzt

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Eng schmiegen sich die alten Steinhäuser aneinander und schützen sich gegenseitig vor dem Bora-Sturm, der im Winter die dalmatinische Küste heimsucht. Im Hafen schaukeln die Fischerboote, viele der 800 ständigen Einwohner sind als Seeleute auf den Weltmeeren zu Hause. Andere leben noch von der Landwirtschaft, von den Olivenbäumen, dem Gemüse, das in den nahe gelegenen Städten Split und Trogir verkauft wird. Immer mehr Familien bauen ihre Häuser für den Tourismus um.

Slatine auf der Insel Čiovo ist ein altes Dorf. Hier leben Menschen, die am Sonntag fast alle in der Kirche anzutreffen sind. Dieses Dorf hat bei den Wahlen für das kroatische Parlament im November in ihrer übergroßen Mehrheit für die „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ), die nationalkonservative Partei von Ex-Staatschef Franjo Tudjman, gestimmt. Da der Spitzenkandidat Ivo Sanader aus Split stammt, scharen sich alle umso mehr um „ihre“ Partei.

Denn alles, was aus Zagreb, der Hauptstadt, kommt, ist unbeliebt. Die Leute sind stolz auf ihre Region; wenn das Fußballteam von Hajduk Split gegen Dinamo Zagreb spielt, ist der Teufel los. „Der Regionalismus spielte aber bei der Wahl kaum eine Rolle“, sagt der Rentner Ivo. „Viel mehr die Wirtschaftspolitik.“ Denn das Dorf und die Region habe nur wenig von dem „angeblichen Aufschwung“ unter der sozialdemokratisch geführten Regierung mitbekommen. „Die deutsche Telekom hat unser Telefonsystem aufgekauft, die Grundgebühr ist angehoben.“

Ivo fürchtet Preissteigerungen und den Ausverkauf des Landes. Die alte Regierung habe Schulden gemacht, mehr als 9 Milliarden Dollar. Dass jetzt die lange versprochene Autobahn von Zagreb nach Dalmatien gebaut wird, nimmt er zur Kenntnis. Doch er ist weiter reserviert. „Integration in die EU, was bedeutet das wirklich für uns?“

Dass Sanader und die HDZ auch für die EU-Integration sind, stört ihn aber nicht. „Natürlich wollen wir nach Europa, aber zu welchen Bedingungen? Die HDZ wird härter verhandeln als die alte Regierung“, meint er. Auch mit den kroatischen Serben. „Sanader wird eher in der Lage sein, eine politische Lösung zu finden. Vielleicht kommen die sogar in die neue Koalition.“

Für Ante, Mitglied der HDZ, ist vor allem wichtig, dass jetzt mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Tacheles geredet wird. „Wir haben im Krieg unser Land gegen die serbische Aggression verteidigt, keiner darf unsere Generäle antasten.“ Aber Sanader will doch auch mit Den Haag zusammenarbeiten? „Nicht so wie die alte Regierung, die nur genickt hat, wenn die Chefanklägerin Carla Del Ponte etwas wollte.“ Sanader habe schon eine Maßnahme getroffen. „Andrija Hebrang wird mit Den Haag verhandeln.“ Der Sohn des kommunistischen Führers, der sich 1945 für die kroatische Republik in Jugoslawien stark machte und 1948 bei Tito in Ungnade fiel, dann „verschwand“, ist hier anerkannt. Als Jude habe Hebrang eine bessere Position, mehr internationales Gewicht als andere kroatische Rechtsanwälte, meint Ante.

Mit den Brüchen der Geschichte umzugehen, fällt den Menschen schwer. In einem Park vor der Kirche ist das Kriegerdenkmal, wo sowohl die Namen der antifaschistischen Partisanen als auch der Gefallenen aus dem letzten Krieg zu finden sind. Immerhin stehen sie hier nebeneinander. In vielen Dörfern wurden Partisanendenkmäler zerstört und durch „patriotische“ ersetzt. Wie in ganz Dalmatien schlossen sich bis 1945 die Männer auch hier im Dorf den Partisanen an. Dalmatien war Hochburg der Kommunisten.

Doch von der eigenen Geschichte will kaum jemand etwas wissen. In der Kneipe des Dorfes wird eine andere Politik gemacht. Und dort ist für die heutige Generation klar, die Sozialdemokraten sind Kommunisten und damit keine richtigen Kroaten. „Wenn Sanader mit dem Ausverkauf Kroatiens weitermacht und den Forderungen aus Den Haag nachgibt, werden wir es auch ihm bei den nächsten Wahlen zeigen“, sagt einer.