: Bayern beschießen jetzt privat
Edmund Stoiber macht Ernst mit der Verwaltungsreform: Er löst ein Gericht auf, das es nirgendwo sonst gibt
MÜNCHEN taz ■ Einen Superminister hat nicht nur der Kanzler. In München heißt er nicht Wolfgang Clement, sondern Erwin Huber und ist seit der Landtagswahl im September für Bundesangelegenheiten zuständig und, vor allem, für die Verwaltungsreform. Denn vor der Wahl und erst recht danach betonte sein Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), dass er bei der öffentlichen Verwaltung straffen, kürzen und streichen werde, bis Bayern die schmalste Administration habe und damit als Vorbild bis zur Elbe strahle.
Nun hat das bayerische Kabinett die ersten Schritte beschlossen. Schnell einigte sich die Ministerrunde darauf, das Bayerische Oberste Landesgericht abzuschaffen. Anerkennendes Staunen dürfte dieser Schritt aber weder bei der Opposition in Bayern noch im Rest der Republik hervorrufen. Denn Bayern ist das einzige Bundesland, das sich eine solche Institution überhaupt noch geleistet hat. Das ObstLG dient im Wesentlichen als Kammer für Revisionsverfahren und geht auf ein Rechtsprivileg von Kaiser Ferdinand II. aus dem Jahre 1620 zurück. Bis zum 30. Juni 2006 soll es nun aufgelöst werden. Die CSU-Regierung erhofft sich dadurch eine Einsparung von „10 bis 15 Stellen“ und etwa 1,5 Millionen Euro.
Doch damit nicht genug. Auch die staatlichen Beschussämter in Mellrichstadt und München sollen nun privatisiert werden. Sie sind dafür zuständig, Schusswaffen, Silvesterböller, kugelsichere Westen oder gepanzerte Autos auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Bayern ist das einzige Bundesland, das bislang gleich zwei Beschussämter unterhielt. Auf Sicherheit legt man hier eben besonderen Wert.
Und eigentlich auch auf Ernährung. Nichtsdestotrotz wird der Freistaat auch die staatliche Ernährungsberatung aufgeben. 106 der bislang 184 Stellen sollen gestrichen werden, der Rest der Beraterinnen wandert ins Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium. Die geplanten Einsparungen liegen hier bei etwa 7 Millionen Euro, weitere 1,5 Millionen Euro will Superminister Huber beim Landesamt für Denkmalpflege abzwacken. Er sieht sein Credo bestätigt: „Wir müssen staatliches Handeln auf seine Kernbereiche konzentrieren.“ Die grüne Opposition im bayerischen Landtag hatte bereits nach Stoibers Regierungserklärung angemerkt, dass der Ministerpräsident nur das streichen wolle, was die CSU in Jahrzehnten der Alleinherrschaft an Verwaltungsapparat aufgebläht habe. Immerhin, damit kommt er voran. JÖRG SCHALLENBERG