: „Bildung schafft Alternativen“
Gegen rituelle Mädchenbeschneidungen hilft Aufklärungsarbeit vor Ort, meint die Übersetzerin Kirsten Immendorf, aktives Mitglied der Unicef-Hochschulgruppe Köln
taz: Frau Immendorf, laut Unicef werden jährlich zwei Millionen Mädchen in afrikanischen Ländern, in Asien und im Nahen Osten im Genitalbereich beschnitten. Warum tut man das den Mädchen an?
Kirsten Immendorf: Das ist dort Tradition. Es wird häufig einfach begründet mit der Aussage: „Weil es immer so war“. Eine Frau sei nur heiratsfähig, wenn sie beschnitten ist. Das haben die Menschen in den betroffenen Regionen über Generationen verinnerlicht. Um die Klitoris, das weibliche Lustorgan, ranken sich die schlimmsten Mythen. Sie soll beispielsweise Schuld daran sein, wenn eine Frau fremdgeht. Die Beschneidung steht außerdem für Sauberkeit.
Es sind also auch vermeintlich hygienische und gesundheitliche Gründe, die Beschneidung rechtfertigen?
Ja, aber wirklich nur vermeintliche Gründe. Die Folgen sind dramatisch. Viele Mädchen verbluten bei dem Eingriff. Später haben sie alle ihr Leben lang Probleme beim Geschlechtsverkehr, bei der Menstruation, bei Geburten und beim Urinieren.
Was tut Unicef und insbesondere die Kölner Hochschulgruppe gegen Mädchenbeschneidungen?
Wir als Kölner Unicef-Hochschulgruppe unterstützen die Unicef-Aktionen gegen Mädchenbeschneidung mit Öffentlichkeitsarbeit. Das Ziel ist Aufklärung und natürlich Spendengelder zu bekommen, mit denen die Projekte vor Ort unterstützt werden. Zum Beispiel im Senegal. Dort führt Unicef Bildungsprojekte durch. Frauen lernen in Grundbildungskursen lesen, schreiben, rechnen, Hygiene. Dieses Wissen tragen sie dann in ihre Dörfer.
Bildung gegen Mädchenbeschneidung. Das ist der Ansatz von Unicef?
Ja, nur aufgeklärte, gebildete Frauen können sich den alten Riten widersetzen. Sich nicht beschneiden zu lassen, bedeutet oft, aus der Familie zu fliehen, das Dorf und vertraute Strukturen zu verlassen.
Und durch die Bildung erlangen die Frauen die dafür nötige Selbstständigkeit?
Durch ihre Ausbildung haben sie plötzlich Alternativen jenseits ihres traditionellen Lebens mit Beschneidung. Außerdem stärkt das ihr Selbstbewusstsein.
Heute Abend findet an der Kölner Uni eine Veranstaltung zum Thema Mädchenbeschneidung statt. Sie haben die Schauspielerin Katja Riemann als Unicef-Botschafterin eingeladen. Warum?
Katja Riemann betreut seit 2003 als Unicef-Botschafterin das Projekt im Senegal. Sie war auch vor Ort, hat sich das angeschaut, hat mit den Leuten gesprochen. Und kämpft dafür, dass es aufhört. Interview: Christiane Martin
„Mädchenbeschneidung – ein Tabu?“ Katja Riemann klärt auf, heute, 19 Uhr, Aula Uni Köln, Albertus-Magnus-Platz