: Eine Lehre für Bushs Schurkenstaaten
Der US-Präsident führt Gaddafis Einlenken auf die Invasion im Irak zurück. Sie sei eine „unmissverständliche Botschaft“ gewesen
WASHINGTON taz ■ Ein Diktator sitzt in Haft, der andere weht mit der weißen Fahne. Gaddafis Verzicht auf ABC-Waffen und die Offenlegung aller Waffenprogramme ist ein Triumph für das Weiße Haus, der George W. Bush eine willkommene nachträgliche Rechtfertigung seines Irak-Feldzuges liefert.
Der Mann hat einfach Glück. Gerade war die Sensationsmeldung vom Aufspüren Husseins etwas verflogen, wurde wieder nach den nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen im Irak gebohrt und kritisierte selbst die eher konservative Washington Post scharf, dass Bush in dieser Frage alle Glaubwürdigkeit verspielt habe, doch nun kann er den Tyrannensturz von Bagdad erneut als lohnende Militäraktion verkaufen.
Andererseits demonstriert Bush, dass er nach monatelangen Geheimverhandlungen durchaus zu Diplomatie bereit ist. Doch er lässt keinen Zweifel, dass Verhandlungen allein kein Erfolgsrezept sind. Die Invasion im Irak habe „eine unmissverständliche Botschaft“ gesandt. Er ist überzeugt, dass Gaddafi letztlich nur nachgegeben hat, weil er nicht das Schicksal von Hussein teilen wollte. Die US-Regierung hofft nun, dass diese Botschaft ihre Sogwirkung auch auf die „Schurkenstaaten“ Nordkorea, Syrien und den Iran nicht verfehlt. Die jüngsten Zugeständnisse aus Teheran, sein Atomprogramm einzufrieren und UN-Inspektionen zuzulassen, wertet die Bush-Regierung daher auch als Erfolg ihrer harten Haltung. Allerdings beißt sie damit in Damaskus und Pjöngjang bislang weiter auf Granit.
Auch wenn Gaddafis Wandel vom Aussätzigen zum reuigen Rückkehrer in die Staatengemeinschaft bereits in den 90er-Jahren begann, wird er in den USA vor allem als Ergebnis von Bushs Sicherheitsdoktrin gedeutet. „Das Schicksal von Hussein muss eine wichtige Überlegung hinter der libyschen Entscheidung gewesen sein“, schlussfolgert die New York Times. „Wir sollten hoffen, dass unsere Entschlossenheit im Irak Libyen überzeugt hat“, sagte selbst ein Berater des demokratischen Präsidentschaftskandidaten und Kriegsgegners Howard Dean. Dennoch glauben nicht alle, dass der Irakkrieg als abschreckendes Mittel notwendig gewesen sei. Bereits nach dem 11. September hätten Iran, Libyen und Syrien den USA angeboten, die gegenseitigen Beziehungen zu verbessern, berichtet die Washington Post unter Berufung auf einen ehemaligen Sicherheitsberater von Bush. Doch dieser habe die Angebote ausgeschlagen. Damit sei wertvolle Zeit vertan worden.
MICHAEL STRECK